Die Heiratsschwindlerin
wachte mit dröhnenden Kopfschmerzen und Übelkeitsgefühlen auf. Sie blieb regungslos liegen, bemüht, die Übelkeit kraft ihres Willens zu überwinden – bis ein plötzlicher Drang, sich zu übergeben, sie aus ihrem Bett, aus ihrem Zimmer, durch die Diele und ins Badezimmer trieb.
»Es ist ein Kater«, erklärte sie dem Badezimmerspiegel. Aber ihr Spiegelbild blickte skeptisch drein. Sie spülte sich den Mund aus, setzte sich auf den Badewannenrand und stützte den Kopf auf die Hand. Wieder einen Tag älter. Einen Tag weiter entwickelt. Vielleicht hatte es inzwischen schon Gesichtszüge. Vielleicht hatte es kleine Hände, kleine Zehen. Es war ein Junge. Oder ein Mädchen. Eine kleine Person. Die in ihr wuchs, sich auf das Leben freute.
Eine weitere Welle von Übelkeit erfasste sie, und sie hielt sich die Hand vor den Mund. Diese Unschlüssigkeit machte sie krank. Sie kam einfach zu keiner Entscheidung, konnte nicht einen klaren Gedanken fassen. Die Vernunft rang mit Bedürfnissen, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte, mit jedem Tag schien ihr Denkvermögen ein wenig nachzulassen. Das Offensichtliche schien nun weniger offensichtlich, die logischen Ansichten, die sie einst bereitwillig vertreten hatte, schienen in einem Meer törichter Empfindungen unterzugehen.
Schwankend stand sie auf und ging langsam auf den Gang hinaus. In der Küche hörte sie Rumoren, und sie beschloss, hinunterzugehen und sich eine Tasse Tee zu machen. Als sie hereinkam, stand James in seiner Arbeitskluft am Aga und las die Zeitung.
»Guten Morgen!«, grüßte er sie. »Na, eine Tasse Tee?«
»Furchtbar gern.« Isobel setzte sich an den Tisch und musterte ihre Finger. James stellte einen Becher vor sie hin, sie nippte daran und runzelte dann die Stirn. »Ich glaube, da muss Zucker rein.«
»Aber du nimmst doch nie Zucker«, meinte James verdutzt.
»Nein«, sagte Isobel. »Aber jetzt vielleicht schon.« Sie rührte zwei Löffel Zucker in ihren Tee und schlürfte ihn genüsslich.
»Nun«, sagte James. »Milly hatte also recht.«
»Ja.« Isobel starrte in ihren Becher. »Milly hatte recht.«
»Und der Vater?«
Isobel schwieg.
»Verstehe.« James räusperte sich. »Hast du schon beschlossen, was du tun wirst? Ich nehme an, du stehst noch ganz am Anfang.«
»Ja. Und nein, ich bin noch zu keinem Entschluss gekommen.« Isobel blickte auf. »Ich nehme an, du denkst, ich sollte es loswerden, nicht? Vergessen, dass es je geschehen ist, und meine glänzende Karriere weiterverfolgen.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte James nach einer Pause. »Außer …«
»Meine aufregende Karriere«, sagte Isobel bitter. »Mein wunderbares Leben in Flugzeugen, Hotelzimmern und mit fremden Geschäftsmännern, die versuchen, mich anzumachen, weil ich immer allein bin.« James sah sie mit großen Augen an.
»Genießt du deine Arbeit nicht? Ich habe gedacht – wie wir alle –, sie macht dir Spaß?«
»Macht sie ja auch. Meistens jedenfalls. Aber manchmal fühle ich mich einsam, und manchmal habe ich es satt, und manchmal würde ich am liebsten alles für immer hinschmeißen. So wie die meisten Menschen.« Sie nippte an ihrem Tee. »Manchmal wünsch ich mir, ich würde heiraten, drei Kinder bekommen und schließlich als Geschiedene ein glückliches Dasein führen.«
»Davon hatte ich ja keine Ahnung, Schatz.« James runzelte die Stirn. »Ich dachte, du wärst gern Karrierefrau.«
»Ich bin keine Karrierefrau«, versetzte Isobel und knallte ihren Becher auf den Tisch. »Ich bin ein Mensch. Mit einer Karriere.«
»Ich wollte dich nicht …«
»Hast du aber!«, entgegnete Isobel verärgert. »Das ist das Einzige, was dich interessiert, stimmt’s? Meine Karriere und sonst gar nichts. Den ganzen Rest von mir hast du vergessen.«
»Nein! Das würde ich niemals tun!«
»Doch. Weil ich es selbst nämlich auch tue. Häufig sogar.«
Eine Pause trat ein. Isobel nahm eine Cornflakespackung, sah hinein, seufzte und stellte sie wieder fort.
James trank noch einen abschließenden Schluck Tee und griff dann nach seiner Aktentasche. »Ich fürchte, ich muss los.«
»Du gehst heute wirklich arbeiten?«
»Mir bleibt nicht viel anderes übrig. Momentan ist so einiges im Umbruch. Wenn ich mich nicht zeige, bin ich meinen Job morgen vielleicht schon los.«
»Wirklich?« Isobel sah schockiert auf.
»Na ja, ganz so schlimm ist es nicht.« James schenkte ihr ein halbherziges Lächeln. »Trotzdem, hingehen muss ich.«
»Das tut mir leid. Das wusste ich ja
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