Die heiße Nacht auf den Bahamas
konfrontiert waren? Wie hätte sie
sich entspannen können, wenn sie wusste, sie würde nach
Shanville zurückkehren und alle enttäuschen müssen?
Wie
war sie bloß überhaupt in diese Zwangslage geraten?
Bis
vor wenigen Monaten hatte sie geglaubt, genau zu wissen, in welche
Richtung ihr Leben sich entwickeln würde. Sie war verlobt
gewesen und hätte irgendwann geheiratet. Sie hatte einen Beruf,
den sie liebte, und lebte in einer Stadt mit Menschen, die ihr etwas
bedeuteten. Aber das Schicksal hatte ihr einen Streich gespielt. Von
einem zum anderen Augenblick hatte sich alles geändert.
Rückblickend
betrachtet, hätte es Cassie eigentlich nicht überraschen
dürfen, dass Oliver ihre Verlobung gelöst hatte.
Schließlich war ihre Beziehung sehr problematisch geworden,
nachdem er den elterlichen Betrieb übernommen hatte. Sie,
Cassie, hätte ihre Verlobung schon vor Jahren selbst gelöst,
wenn sie nicht Angst gehabt hätte, damit ihre kränkliche
Großmutter aufzuregen. Denn es war der Wunsch ihrer Großmutter
gewesen, dass Cassie Oliver heiratete. Ihre Großmutter hatte
immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass diese Verbindung die Freude
ihres Alters war.
Außerdem
war es nicht so gewesen, dass Cassie Oliver nicht geliebt hätte.
Sie waren zusammen aufgewachsen. Sie waren zusammen in die Schule
gegangen, und sie hatten während der Sommerferien Seite an Seite
in der Weberei "Demion Mills" gearbeitet. Doch als Oliver
die Führung des Betriebs übernommen hatte, hatte er sich
verändert. Mit einem Mal war er besessen von Geld. Für
Cassie war offensichtlich geworden, dass Oliver große Pläne
hatte – Pläne, in denen eine kleine Textilweberei nicht
vorkam.
Nachträglich
war alles klar gewesen. Oliver mochte schöne Reden gehalten
haben, doch wie ihre Großmutter immer zu sagen pflegte, Taten
sagten mehr als Worte. Letztendlich bewies Olivers Verhalten, dass er
kein Kleinstadtmädchen heiraten wollte, das als Weberin im
Textilbetrieb seiner Familie arbeitete. Außerdem schien er auch
keine Lust zu haben, in Shanville zu leben. Oliver war dazu bestimmt,
sein Glück und seine Liebe woanders zu suchen.
Aber
so offensichtlich Olivers Gefühle ihr gegenüber auch
geworden waren, Cassie hätte niemals vermutet, wie tief er
Shanville verachtete. Sie hätte auch niemals gedacht, dass
Shanville eines Tages von einem Bürger der Stadt zerstört
werden würde.
Doch
genau das war geschehen. Oliver hatte Demion Mills schlecht geführt
und den Betrieb damit an den Rand des Ruins gebracht. Dann, gerade
als Cassie dachte, es könnte nicht schlimmer werden, hatte er
Shanville und die Menschen verraten, die ihn liebten. Er verkündete,
er würde den Betrieb – den Stützpfeiler der Gemeinde,
den Arbeitgeber ganzer Generationen von Einwohnern – an Hunter
Axon verkaufen.
Hunter
Axon kaufte Firmen auf, die vom Bankrott bedroht waren. Er war dafür
bekannt, kleinere Betriebe zu übernehmen, die Angestellten zu
entlassen und die Produktion nach Übersee zu verlegen.
Der
Verkauf war völlig unerwartet gekommen, selbst sie, Cassie, war
ahnungslos gewesen. Wie hatte Oliver das bloß arrangiert? Wie
hatte er Hunter Axon davon überzeugt, eine kleine Textilfabrik
zu kaufen, die seit Jahren keinen Gewinn mehr machte?
Um
das herauszufinden, waren einige Nachforschungen nötig gewesen,
doch schließlich hatte Cassie die Antwort gefunden: Bodyguard.
Oliver
hatte entdeckt, dass Demion Mills das Patent für Bodyguard besaß
– ein weiches, absorbierendes Material, das sich perfekt für
Sportwäsche eignete. Doch statt dieses Patent zu benutzen, um
den Betrieb wieder in die Gewinnzone zu bringen, hatte Oliver nur an
seinen persönlichen Vorteil gedacht.
Cassie
hatte versucht, ihn davon zu überzeugen, Demion Mills zu
behalten und nur das Patent zu veräußern. Aber er hatte
sich geweigert. Der Betrieb war so gut wie verkauft.
Deshalb
blieb Cassie keine andere Wahl, als zu versuchen, Hunter Axon selbst
zu treffen. Sie war sicher, der Textilbetrieb würde aus den
roten Zahlen herauskommen, wenn der patentierte Stoff dort
hergestellt wurde.
Also
hatte sie ihr mageres Bankkonto geplündert und war auf die
Bahamas geflogen, um mit Hunter Axon zu sprechen. Doch diese Aufgabe
war nicht so leicht, wie sie sich vielleicht anhörte. Hunters
Sekretärin hatte sich geweigert, ihr einen Termin bei ihrem Boss
zu geben. Verzweifelt war Cassie sogar zu seinem Haus gegangen, doch
der Eintritt war ihr verwehrt worden. In den beiden Tagen, die sie
nun
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