Die heißen Kuesse der Revolution
dem Onkel unmöglich von ihrem Ärger mit den Behörden erzählt haben. „Lucas kümmert sich um den Familienbesitz. Er macht sich ständig Sorgen, auch, wenn es vollkommen unbegründet ist.“ Sie lächelte entschlossen und hoffte, damit wäre das Thema erledigt.
Er lächelte frostig zurück. „Julianne, ich kann es mir nicht leisten, Zeit zu verschwenden. Ich bin aus zwei Gründen gekommen. Der offensichtliche ist familiärer Natur.“
Sie lächelte noch einmal. Lucas hatte ihm also von ihrer Krankheit berichtet. „Ich war kürzlich ein wenig erkrankt, aber jetzt bin ich längst auf dem Weg der Besserung. Es ist sehr freundlich von dir, dich nach meinem Zustand zu erkundigen.“
„Der zweite Grund sind deine radikalen Verbindungen, meine Liebe.“
Julianne erstarrte.
„Ich rede von deiner Gesellschaft der Friends of the People in Cornwall, vom Club in der Rue de la Seine in Paris und natürlich von deiner Beteiligung an der Versammlung in Newgate diese Woche. Nicht zu vergessen deine Verhaftung und Einlieferung in den Tower.“
Sie stand auf, doch Sebastian Warlock ergriff ihren Arm und zog sie zurück auf das Sofa. „Vor mir brauchst du keine Angst zu haben, schließlich bin ich dein Onkel.“
„Wie konnte Lucas dir das nur alles erzählen!“, rief sie entsetzt.
„Nun hör mir bitte erst mal zu und hör bitte sehr gut zu.“ Er lächelte nicht mehr. „Ich habe euch seit Jahren nicht besucht, Julianne, aber das bedeutet nicht, dass mir euer Schicksal gleichgültig ist. Dieses Mal hast du sehr großes Glück gehabt, dass ein so hochstehender Lord wie Bedford zu deiner Hilfe geeilt ist.“
Sie holte tief Luft. Sie war sicher, dass er auch ihre Affäre vermutete.
„Aber bildest du dir wirklich ein, du könntest über die britische Regierung triumphieren? Wir sind hier nicht in Frankreich. Dieses Land ist nicht reif für eine Revolution. Für Radikale wie dich, Julianne, gibt es schon bald nur noch drei Perspektiven: die Einkerkerung, die Verbannung oder die Hinrichtung.“
Julianne schnappte erschrocken nach Luft. „Du willst mir doch nur Angst einjagen. Ich kann nicht verstehen, warum Lucas dir alles erzählt hat.“
„Kannst du deine Niederlage eingestehen und deine Ansichten aufgeben?“ Sein Blick war hart.
Sie zitterte vor Furcht. Doch sie stand wieder auf. „Nein, das kann ich nicht. Und das werde ich auch nicht. Ich werde überhaupt nichts aufgeben, Sir!“
Er erhob sich ebenfalls. „Dann solltest du meinen Rat befolgen. Du spielst hier kein Kartenspiel, sondern ein Spiel, das das Leben vieler Männer beeinträchtigt und ihren Tod verursachen kann.“
Es dauerte eine Weile, bis sie diese schreckliche Aussage verdaut hatte. „Was ich tue, ist doch kein Spiel.“
„Oh doch, es ist eins, und zwar ein sehr gefährliches Spiel, meine Liebe. In diesem Spiel geht es nur um uns oder um die anderen. Es geht um Leben und Tod. Die Einsätze sind sehr hoch und wenn du darauf bestehst, an diesem Spiel teilzunehmen, musst du es mit äußerster Vorsicht tun.“
Sie wollte dieses Gespräch beenden, doch sie starrte ihn nur gebannt an.
„Du bist sehr tapfer“, sagte er leise. „Aus dir könnte viel werden.“
„Was willst du von mir?“
„Dieses Spiel ist wie Schach. Wie machen einen Zug, sie machen einen Gegenzug. Ich spüre Dominic Paget auf und hole ihn raus. Du schreibst einen Brief an die Jakobiner in Paris. Ich versuche, einen Verräter aufzuspüren. Du versuchst, eine Familie aufzuspüren. Es ist ein Spiel, ein sehr gefährliches Spiel, und wir alle sind die Spieler.“
Wusste er etwa, dass man sie gebeten hatte, eine Familie namens d’Archand in Cornwall zu finden? Julianne war wie betäubt. Hielt er sie für eine Verräterin?
Wer war er eigentlich. Ganz offensichtlich war ihr Onkel weit mehr als nur ein kleiner Grundbesitzer.
„Hattest du Angst, als Rob Lawton eure Versammlung sprengte? Als man dich in den Tower warf?“ Sein Ton war beinahe mild.
„Natürlich hatte ich Angst!“, rief sie.
„Gut. Wenn du mitspielen willst, solltest du immer Angst haben. Denn Furcht macht einen vorsichtig.“
„Was soll das denn heißen?“
Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Die Versammlung der Delegierten des Volkes in Edinburgh war vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat. Tom Treyton ist zusammen mit dreihundert weiteren Teilnehmern verhaftet worden.“
Julianne schrie ungläubig auf.
Sein Gesicht war hart. „Sie werden alle wegen Hochverrat angeklagt, Julianne.“
Sie
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