Die heißen Kuesse der Revolution
ihn am liebsten niemals gehen lassen. So tief war ihre Liebe. „Kannst du nicht noch länger bleiben?“
Er zögerte. „Es wird einige Tage in Anspruch nehmen, bis ich reisefertig bin.“
Sie ergriff seine Hand. Eigentlich sollte sie ihm sagen, dass er nichts weiter tun musste, als in die Taverne von Sennen zu gehen, wo ein halbes Dutzend junger Schmuggler begierig darauf war, den Kanal zu überqueren, wenn man sie gut dafür bezahlte.
„Wirst du wieder an die Front gehen?“, fragte sie ängstlich.
„Zweifellos.“
„Wie soll ich wissen, dass du am Leben und gesund bist?“
„Es wäre das Beste, wenn wir voneinander Abschied nehmen und alle Verbindungen zwischen uns abbrechen würden.“
Julianne schwieg entsetzt.
Auch Charles sagte nichts.
„Aber du wirst mir doch sicher schreiben!“, rief sie aus.
Er blickte reglos. „Ich könnte dir schreiben“, sagte er, „aber was sollte das für einen Sinn haben? Ich werde drüben in Frankreich sein, während du dich hier nach mir verzehrst. Dabei solltest du andere Männer im Kopf haben. Männer, die eine standesgemäße und gute Partie für dich sind. Nein, es wäre für uns beide besser, wir sagen Lebewohl und vergessen einander.“
„Ich kann auf dich warten. Alle Kriege nehmen einmal ein Ende.“
Er kam um den Tisch herum und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich weiß, wie grausam es sich für dich anhören muss, aber ich will nicht, dass du auf mich wartest. Ich will nicht in dem Bewusstsein in den Krieg ziehen müssen, dass du hier auf mich wartest. Es gibt vieles, was ich zu bedauern habe, Julianne, aber was zwischen uns passiert ist, bedauere ich ganz sicher nicht.“ Charles blickte sie aus kalten Augen an. „Du hast es nicht verdient, als Kriegerwitwe zu versauern. Du hast etwas viel Besseres verdient als das, was ich dir geben kann.“
„Du wirst nicht in Frankreich sterben.“ Es gelang Julianne, ihn anzusehen und die Tränen zurückzudrängen.
„Es tut mir leid“, sagte er.
Ihr Herz verkrampfte sich vor Angst. „Wie viel Zeit haben wir noch?“
Er drückte ihre Schultern fester. „Ein paar Tage.“
Wochenlang hatten sie nur für den Augenblick gelebt. Julianne sank in seine Arme. Irgendwie musste es ihr gelingen, dies in der kurzen Zeit, die ihnen noch gemeinsam blieb, fortzuführen.
6. KAPITEL
J ulianne lag in seinen Armen und wollte ihn nie wieder loslassen. Er hielt sie ganz fest, als die Morgendämmerung langsam den Raum erhellte.
Sie bekämpfte die Tränen, die aus ihren geschlossenen Augen strömen wollten. Sie versuchte, nicht an seine Abreise zu denken, aber nach dem Gespräch gestern Abend war das unmöglich. Charles küsste ihren Hals und ihre Schulter. „Du gehst jetzt besser.“
Sie rührte sich nicht. „Wir sollten das Beste aus diesem Tag machen. Lass uns draußen in der Bucht essen.“
Er lächelte. „Das klingt vielversprechend, aber es ist zu gefährlich. Ich möchte nicht, dass man uns entdeckt.“
Charles hatte recht, doch ihr war so schmerzlich bewusst, wie wenig Zeit ihnen noch blieb. Er würde sie verlassen und jeden Kontakt zu ihr abbrechen. Sie würde einen Weg finden, ihm zu schreiben, ob er es wollte oder nicht. Aber das Schlimmste war ihre Angst, er könnte sterben.
Sie küsste ihn, schlüpfte aus dem Bett und zog das Nachthemd an. Sie wünschte, er würde seinen Fortgang nur einen Moment bedauern, aber wie immer ließ er sich nicht das Geringste anmerken. Zunächst hatte sie sein stoisches Wesen bewundert, doch nun wünschte sie sich, sie könnte in seinen Augen wenigstens ein kleines Bedauern über seine bevorstehende Abreise erkennen. Nein. In Wahrheit wollte sie einen Ausbruch erleben! Doch sie wusste, er würde es sich niemals gestatten, von Gefühlen überwältigt zu werden.
„Ich sehe dich beim Frühstück“, sagte er.
An der Tür wankte sie kurz. Sie wollte an der Aufrichtigkeit seiner Liebe nicht zweifeln, dennoch nagten Zweifel an ihr. Könnte er sie einfach so zurücklassen, wenn er sie wirklich liebte ?
Er war ein Held. Er zog in den Krieg. Natürlich konnte er sie nicht nur zurücklassen, er musste es sogar. Das gebot ihm seine Vaterlandsliebe.
Sie eilte den Flur entlang und dachte daran, dass sie die Zeit genießen musste, die ihnen noch blieb. Jede Minute war kostbar.
„Wo warst du?“, fragte Amelia scharf, als Julianne über die Schwelle ihrer Schlafkammer trat.
Julianne erstarrte. Da Amelia bereits vollständig angezogen war, musste sie schon einige Zeit
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