Die heißen Kuesse der Revolution
einem guten Freund geworden.“
Tom seufzte. „Das kann ich mir vorstellen. Er ist ein französischer Offizier, schon deshalb kann ich ihn natürlich leiden. Hat er dich mit seinen Kriegsgeschichten unterhalten? Es scheint mir allerdings ungewöhnlich, dass ein Soldat so eloquent sein soll.“
„Er ist zwar der Sohn eines Juweliers, betreibt in Paris aber eine kleine Druckerei. Daher ist er sehr belesen, wie du gleich feststellen wirst“, erwiderte sie eifrig. Charles hatte ihr alles über sein Leben und seine Familie in Frankreich erzählt. Sie konnte es kaum erwarten, dass sich die beiden Männer kennenlernten. Sie würden einander sofort ins Herz schließen, denn sie hatten so vieles gemein.
Tom starrte sie an. Sie rollten die Auffahrt hinauf. „Wie ungewöhnlich, dass sich der Sohn eines Juweliers für Literatur interessiert.“
„Das ist wirklich überraschend, aber Charles ist auch kein gewöhnlicher Mensch, wie du gleich sehen wirst“, sagte sie.
„Du scheinst ja ganz hingerissen von ihm zu sein.“
„Das bin ich ganz gewiss nicht“, konterte sie vorsichtig.
Tom schwieg. Er hielt die Kutsche an und zog die Bremse. Julianne stieg ohne seine Hilfe aus und wollte zur Tür gehen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm und sich umwandte. Charles kam gerade aus den Ställen geschlendert.
Sie fragte sich, was er dort wohl gesucht haben mochte, doch sie lächelte ihn an.
Er aber lächelte nicht, als er langsam näher kam.
„Das also ist dieser Charles Maurice?“ Toms Stimme klang belegt.
Sie sah ihn erstaunt an. Er sah ernst und widerwillig aus. „Natürlich ist er das. Wer sollte es sonst sein?“
„Du hast nicht erwähnt, dass er so groß und gut aussehend ist.“
Julianne erschrak. „Das dürfte wohl kaum ein angemessenes Gesprächsthema sein“, bemerkte sie verschnupft.
„Der Mann sieht aus wie der reinste Weiberheld“, stellte Tom sachlich fest.
Julianne blickte von einem zum anderen. Charles musterte Tom abschätzend, und Tom blickte ablehnend zurück. „Was hat er denn im Stall gewollt? Wollte er sich vielleicht ein Pferd schnappen, um zu spionieren?“
„Wir stehen auf derselben Seite“, erwiderte sie entschlossen. „Wenn er tatsächlich die Nachbarn ausspionieren wollte, kann uns das gleich sein.“
Charles war inzwischen so nah herangekommen, dass er dem Gespräch von Julianne und Tom folgen konnte. Er lächelte Julianne beiläufig an. Rasch stellte sie die Männer vor.
„Ich bin hoch erfreut, endlich Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen“, sagte Charles höflich. „Und ich muss mich für meine mangelhafte Beherrschung Ihrer Sprache entschuldigen.“
Tom schüttelte ihm die Hand. „Julianne hat mir natürlich von Ihnen berichtet. Wie ich sehe, sind Sie ganz gesund.“
„Mir geht es jeden Tag besser, aber mein Leben verdanke ich Mademoiselle Greystone.“ Er wandte sich an Julianne. „Hatten Sie einen erfreulichen Nachmittag in der Stadt?“
„Aber ja, und ich habe Ihnen zwei Zeitungen mitgebracht.“
„Vielen Dank.“ Er zögerte. „Ich weiß wirklich zu schätzen, was Sie hier für mein Vaterland tun, Monsieur .“
„Ich bin ein Mann mit festen Prinzipien“, sagte Tom ernst. „Ich verabscheue Despotismus und Tyrannei. Selbstverständlich unterstütze ich die große Revolution in Frankreich.“ Grimmig fügte er hinzu: „Und ich weiß zu schätzen, welche Opfer Sie für unsere Sache gebracht haben.“
Charles lächelte und sah Julianne an. „Dann werde ich Sie mal Ihren Angelegenheiten überlassen.“ Er drehte sich um und ging zum Haus.
Tom hielt sie zurück, sodass Julianne stehen bleiben musste. „Was ist los?“
„Ich traue ihm nicht“, flüsterte Tom
„Tom!“, japste Julianne.
„Das soll der Sohn eines Juweliers sein?“, höhnte er. „Der Kerl ist genauso großspurig wie der Earl of St. Just.“
Nachdem Tom wieder auf sein Pferd gestiegen und fortgeritten war, eilte Julianne nach oben. Charles saß in seiner Kammer am Tisch und las die Zeitungen. Ihr Herz pochte voller Liebe, als sie ihn sah. Er sah auf und lächelte.
Sie lächelte zaghaft zurück. „Tom traut dir nicht.“
Charles zog amüsiert die Augenbrauen nach oben. „Ist das so?“
„Er glaubt nicht, dass du ein Offizier der Revolutionsarmee bist.“
„Er kann mich nicht leiden, Julianne.“ Charles legte die Zeitung beiseite.
„Ja, das war sofort zu merken. Er scheint allerdings auch misstrauisch zu sein, wie weit unsere Beziehung geht.“
Charles
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