Die heißen Kuesse der Revolution
was nach den Schüssen von Nantes passiert war“, sagte Dominic vorsichtig. „Ich hatte keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin, ja, ich wusste nicht einmal, ob ich mich noch in Frankreich oder in England befand. Ihre Schwester sprach Französisch mit mir, doch ich hörte, dass sie Engländerin sein musste. Das hat mich verwirrt. Ihre Schwester hat gehört, wie ich im Fieber in französischer Sprache fantasiert habe. Sie glaubt, ich sei ein Offizier der Revolutionsarmee.“
Lucas riss die Augen auf. „Ah, jetzt verstehe ich.“ Er lächelte vielsagend. „Meine kleine radikale Schwester ist sicher ganz entzückt bei der Vorstellung gewesen, Sie seien ein französischer Offizier. Das hat Sie in ihren Augen sofort zu einem Helden gemacht.“
Er scheint seine Schwester ja gut zu kennen, dachte Dominic. „Sie war tatsächlich begeistert. Ich habe mitbekommen, wie sie einen Brief an die Jakobiner in Paris schrieb, woraus ich natürlich schloss, dass sie mit den Jakobinern sympathisiert. Ein paar harmlose Fragen haben das bestätigt. Obwohl ich in Erfahrung bringen konnte, dass ich hier in Cornwall bin, musste ich allerdings davon ausgehen, in einen ganzen Schwarm von Jakobinern geraten zu sein. Deshalb habe ich sicherheitshalber mitgespielt. Danach jedoch konnte ich meine Tarnung nicht mehr ablegen, denn sonst wäre ihr klar geworden, warum ich wirklich in Frankreich war. Ich habe herzlich wenig unternommen, um sie zu betören. Allein die Vorstellung, ich sei ein französischer Offizier, hat sie schon bezaubert. Und sie hält mich noch immer für Charles Maurice.“
Lucas trat zu der mit aufwendigen Schnitzereien verzierten Anrichte und goss sich selbst einen Brandy ein. „Und Amelia glaubt es ebenfalls.“
„Sie hat mit Ihnen korrespondiert.“
„Natürlich hat sie das.“ Lucas nippte an dem Brandy. „Nachdem ich Sie hier zurückgelassen hatte, habe ich ihr genaue Anweisungen gegeben. Sobald Sie außer Lebensgefahr und auf dem Wege der Besserung sind, sollte sie mir das sofort mitteilen.“
„Ich glaube, auf dem Wege der Besserung war ich schon nach etwa einer Woche. Aber jetzt bin ich schon seit drei Wochen hier.“
„Genaugenommen sind es dreieinhalb Wochen“, verbesserte Lucas, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Vor ein paar Tagen machte Amelia sich so große Sorgen, dass sie mir geschrieben hat. Wie es sich ergab, hatte ich sowieso gerade den Befehl bekommen, Sie nach London zu bringen.“
Dominic nippte an seinem Brandy. Er musste sich eingestehen, dass er aus Lucas nicht schlau wurde. Er setzte sich auf das Sofa und schlug die Beine übereinander. Amelias Sorgen gingen ihn nichts an. „Bitte erzählen Sie mir in allen Einzelheiten, wie ich hierhergekommen bin.“
Lucas stutzte über den plötzlich befehlshaberischen Ton. Doch Dominic wollte ihm mit Absicht zu Bewusstsein bringen, wer hier das Sagen hatte. Lucas lehnte sich mit der Hüfte gegen die Anrichte. „Ich habe am 1. Juli gleich nach Sonnenaufgang den Befehl bekommen, so schnell wie möglich nach Brest zu segeln, um einen schwer verwundeten Mann aufzulesen und ihn sofort zu Sebastian zu bringen. Ich war zufällig in London, ebenso wie mein Bruder Jack, der allerdings heftig dem Alkohol zugesprochen hatte. Doch weil niemand so gut wie Jack weiß, wie man feindliche Flotten umschifft, und zwar jede Flotte auf der Welt, hat Sebastian uns ein kleines Kanonenboot und eine Besatzung besorgt. Wir sind sofort aufgebrochen und noch am Abend desselben Tages in Brest vor Anker gegangen. Man hatte uns sehr präzise Anweisungen gegeben. Wir sollten nach einem Leuchtturm etwa fünf Kilometer südlich des eigentlichen Hafens Ausschau halten. Das Feuer war nicht schwer zu finden. Sie, mein Freund, aber waren mehr tot als lebendig, also haben wir beschlossen, Sie so schnell wie möglich wieder an Land und in ärztliche Obhut zu bringen. Aus diesem Grunde sind Sie auf Greystone gelandet.“ Lucas verzog das Gesicht. „Sebastian war alles andere als erfreut. Ich konnte ihm jedoch schnell klar machen, dass wir ihm sonst eine Leiche nach London gebracht hätten.“
Die Brüder Greystone haben der französischen Flotte und der Revolutionsarmee die Stirn geboten, nur um mich zu retten, dachte Dominic. Und er hatte es ihnen gedankt, indem er ihre Schwester verführte. Er war ein guter Menschenkenner. Er wusste, dass Lucas ihn umbringen würde, sollte er je von der Affäre erfahren. Dominic hatte schon vor langer Zeit lernen müssen, dass das Leben
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