Die heißen Kuesse der Revolution
herbeieilte.
Julianne kämpfte mühsam gegen die Tränen. Sie war so überwältigt. Dominic war tatsächlich gekommen. Er holte sie hier raus.
Sie sah ihm in die Augen und fragte sich, ob er wütend auf sie war. Sie konnte in seinem undurchdringlichen Gesicht nichts lesen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Dominic sprach ganz ruhig. Der Wachmann drehte den Schlüssel.
Julianne zögerte. Alles in Ordnung? Es war überhaupt nichts in Ordnung, und sie glaubte nicht, dass es je wieder in Ordnung kommen würde.
„Wessen Blut ist das, Julianne?“, fragte Dominic ruhig.
„Ich bin unverletzt“, flüsterte Julianne. Das Gitter schwang auf. Sie holte tief Luft. „Ich weiß auch nicht, wessen Blut das ist.“
Dominic riss die Augenbrauen nach oben.
Der Wachmann bedeutete ihr, herauszukommen. Doch sie sah Nesbitt, Adams und die drei anderen Männer in der gegenüberliegenden Zelle an. Die Männer starrten erstaunt zurück. Sie hatte versprochen, ihnen zu helfen, sobald sie hier raus käme. Nesbitt hatte sie gedrängt, den grauenvollen Despotismus der Regierung Pitt zu enthüllen.
„Julianne“, sagte Dominic leise. Es klang wie ein Befehl.
Sie lächelte ihre Freunde schwach an, wandte sich um und wollte aus der Zelle treten, als sich plötzlich alles um sie herum drehte. Die Gitterstäbe schienen auf sie ein zu stürzen.
Dominic schrie erschrocken auf.
Julianne erblickte das Entsetzen in seinem Gesicht, als er zu ihr eilte. Es war das Letzte, was sie sah.
Licht drang durch ihre geschlossenen Augenlider, und in ihrem Rücken spürte sie die vertrauten Muskeln starker Männerarme, die sie festhielten. „Charles“, murmelte sie.
„Ganz ruhig, Julianne. Du bist ohnmächtig geworden.“
Sie öffnete die Augen und blickte in das geliebte Gesicht. Aber es war nicht Charles, der sie auf dem mit rotem Samt ausgeschlagenen Rücksitz einer Kutsche in seinen Armen hielt. Es war Dominic Paget.
Plötzlich konnte sie sich wieder an alles erinnern. „Dominic.“
„Ja.“
„Du bist gekommen.“ Die Erleichterung durchflutete sie. Sie war nicht mehr im Tower. Sie war in Sicherheit.
„Natürlich bin ich gekommen.“ Er blickte sie ausdruckslos an. Seine Stimme klang gefasst.
Julianne wollte sich aufsetzen, und Dominic ließ sie los. Ihre Gedanken rasten. Er war ein Mann, der sein Wort hielt. Der Schrecken der letzten paar Tage war vorüber. „Ich hatte Angst, dass du vielleicht nicht kommen würdest“, sagte sie zaghaft.
Dominic musterte sie mit seinen grünen Augen. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mir nur eine Nachricht zukommen lassen musst, wenn du jemals in Not bist! Ich stehe in deiner Schuld, und das meine ich vollkommen ernst.“ Er verzog ein wenig die Lippen. „Jetzt sind wir vielleicht quitt.“
Er ließ keinerlei Gefühlsregung erkennen. Hatte sie vorhin wirklich geglaubt, in seinen Augen Zorn aufblitzen zu sehen? „Ich war in Sorge, dass du London vielleicht schon wieder verlassen hast.“
„Wie du siehst, bin ich noch in der Stadt.“ Er musterte aufmerksam ihr Gesicht.
Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Julianne konnte sich kaum aufrecht halten und lehnte sich an seine Schulter. Sie wusste, sie sollte jede körperliche Berührung mit ihm vermeiden, und dennoch konnte sie nicht von ihm wegrücken. Dominic sah Julianne fragend an.
Er hatte sie tatsächlich aus dem Tower gerettet.
Dabei hatte sie angenommen, ihn niemals wiederzusehen.
„Du starrst mich an“, brach es aus ihr heraus.
Er sah sofort weg.
Sie fragte sich, ob er sich vielleicht doch schuldig fühlte für seinen Betrug.
„Wo sind wir eigentlich?“ Die Kutsche rollte gemächlich dahin, aber die Vorhänge waren zugezogen.
„In meiner Kutsche. Dieser Wachtmeister wollte dich erst noch in sein Büro bringen lassen, aber das habe ich abgelehnt. Ich wollte dich so schnell wie möglich da rausholen und zu meinem Arzt bringen. Bist du krank?“
„Ich fühle mich sehr schwach. Ich habe seit Tagen nicht mehr richtig gegessen“, antwortete sie. Zum ersten Mal sah sie sich in der erstaunlich luxuriösen Kutsche um. Die Leuchter waren vergoldet, und von den scharlachroten Vorhängen hingen goldfarbene Quasten herab. Die Sitze aus rotem Samt waren weich gepolstert, das Holz aufwendig lackiert. Julianne sah Dominic an. Aus den Ärmeln seines Samtmantels blitzten spitzenbesetzte Aufschläge hervor. Dominic trug einen Siegelring mit einem imposanten Saphir sowie einen Ring mit einem großen Rubin. Sie blickte auf in seine reglosen
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