Die heißen Kuesse der Revolution
Ordnung?“, fragte er leise.
„Ich weiß nicht.“ Julianne zitterte. Sie hatte sich in einen gewöhnlichen Franzosen verliebt, der genau wie sie für die soziale Gerechtigkeit kämpfte. Dominic aber war alles andere als gewöhnlich und stand dem Krieg und der Revolution sehr kritisch gegenüber.
„Das Haus gehört seit Jahrhunderten meiner Familie, Julianne.“
Natürlich, dachte sie. Er hatte sein Haus, seinen Titel und seinen Reichtum nur geerbt. Er stand für die ganze Ungerechtigkeit, die sie bekämpfte. Aber Julianne wollte nicht gegen Dominic kämpfen und sie hatte auch nichts dagegen, Grundbesitz zu vererben. Schließlich hatte ihr Bruder Lucas Greystone auch geerbt.
Sie zitterte. Ohne Dominics Einfluss würde sie immer noch im Tower schmachten.
„Dir ist kalt“, sagte er zerstreut.
„Ganz und gar nicht“, flunkerte sie. Ihre Zähne klapperten jedoch leicht. Sie musste tatsächlich krank sein, denn trotz des warmen August-Tages fror sie so sehr, dass sie bibberte.
Dominic legte seinen Arm um ihre Schultern und geleitete Julianne über die schimmernd weiße, mit zerstoßenen Muscheln ausgelegte Auffahrt und eine breite Treppe hinauf ins Haus. Julianne spürte die Blicke des Kutschers und der beiden Dienstboten im Rücken. Was wissen sie bereits über mich, fragte sich Julianne zitternd.
Weitere Diener in Livrée hielten ihnen eine breite Ebenholztür auf. Sie verbeugten sich, als Julianne und Dominic eintraten. Juliannes Herz verkrampfte sich. Es gab so viele Unterschiede zwischen ihnen. Sie sollte wirklich Abstand wahren.
An der obersten Stufe stolperte sie. Dominic hielt sie fest. „Du bist doch krank.“
„Ich sollte gar nicht hier sein.“
„Unsinn. Ich lasse gleich den Arzt kommen, Julianne.“
Sie brachte keine Antwort heraus. Er geleitete sie über die Schwelle in die riesige Eingangshalle.
Verblüfft musterte Julianne die Halle mit ihren hohen Decken und den mit Marmor ausgelegten Fußboden. Dominic sprach derweil leise mit einem Butler, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Am liebsten wäre sie einfach in den nächsten Sessel gesunken. Ihre Knie zitterten und knickten ständig ein.
„Julianne“, sagte Dominic, „das hier ist Gerard. Wenn du irgendetwas wünschst, brauchst du es ihm nur zu sagen. Er wird dir sofort jeden Wunsch erfüllen.“
„Ich kann nur hoffen, dass du scherzt“, sagte sie. Sie bemerkte jetzt erst, dass er immer noch den Arm um sie gelegt hatte,
„Du hast Schreckliches durchgemacht. Du bist hier, um dich auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Ich meine es vollkommen ernst.“ Er wandte sich an den Butler. „Lass bitte sofort nach dem maurischen Arzt Al Taqur schicken, Gerard.“
„Und wenn ich mir Diamanten und Perlen wünschen würde?“ Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen. Wie konnte sie nur etwas so Dummes sagen? Sie war nicht seine Mätresse, die derartige Geschenke erwartete.
Dominics Gesicht war wie versteinert. „Um so etwas würdest du niemals bitten.“
Sie hätte beinahe wieder angefangen zu weinen, aber das hatte nichts mehr mit den zurückliegenden Qualen zu tun. Ihr war, als würde ihr noch einmal das Herz gebrochen. Irgendwie gelang es ihr, den Kopf zu schütteln. Sie wollte ihm sagen, wie unmöglich und unerträglich die Situation für sie war.
Julianne vernahm plötzlich das Geräusch klackernder Absätze auf dem Marmor.
Angespannt drehte Julianne sich um. Sie sah, wie eine umwerfend schöne Frau das andere Ende der Halle betrat. Die Dame stoppte mitten im Schritt, als sie Julianne erblickte, und sah Dominic verblüfft an.
„Das ist meine Mutter, Lady Catherine Paget, die Dowager Countess“, flüsterte Dominic.
Julianne fühlte sich unbehaglich, weil sie sich noch immer in Dominics Umarmung befand. Jeder Narr konnte sich zusammenreimen, welcher Art ihre Beziehung war. Sie wollte sich aus der Umarmung winden, konnte sich jedoch nicht regen. Lady Catherine kam direkt auf sie zu.
Die Dowager Countess war die eleganteste Frau, die Julianne je gesehen hatte. Noch nie hatte sie so viele Juwelen, eine so weiße Perücke und einen derart glänzenden Kopfputz erblickt. Die edel gekleideten, vornehmen Damen, denen sie am Cavendish Square begegnet war und bei deren Anblick sie sich so ärmlich und unbedarft vorgekommen war, verblassten angesichts dieser prachtvoll gekleideten, offenbar sehr reichen Frau. Ihre Augen waren ebenso grün wie die Augen von Dominic und ihr Blick ebenso standhaft. Als die Lady Catherine
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