Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
schneidet der Berchtholdt sich selbst unten auf, als dass er nach der Hebamme schickt«, warf Simon ein, der sich mittlerweile auch angezogen hatte. »Du weißt, er hält die Stechlin immer noch für eine Hexe und würd sie gerne brennen sehen. Außerdem glauben viele im Ort, dass du eine ebenso gute Hebamme bist wie sie. Vielleicht sogar eine bessere.«
»Red keinen Schmarren.« Magdalena band sich die nassen Haare zu einem Dutt, während sie weitersprach. »Ich kann nur hoffen, dass es mit der Magd vom Berchtholdt nichts Ernstes ist. Und jetzt red nicht, komm!«
Die Henkerstochter rannte bereits den schmalen Treidelpfad hoch zum Lechtor. Im Laufen wandte sie sich noch einmal zu Simon um.
»Mag sein, dass wir einen studierten Medicus brauchen können. Und sei’s auch nur zum Wasserholen.«
Schon als sie die Zänkgasse betraten, merkte Magdalena, dass sie es nicht mit einer herkömmlichen Geburt zu tun hatten. Aus den schmalen, verriegelten Fenstern des Bäckers drangen Schreie heraus, die mehr an ein Vieh auf der Schlachtbank als an einen Menschen erinnerten. Bauern und Handwerker waren vor der Backstube zusammengelaufen und tuschelten ängstlich miteinander. Als sich Simon und Magdalena der Gruppe näherten, machten sie nur widerwillig Platz.
»Jetzt kommt das Henkersmädchen und treibt der Bäckersmagd den Satan aus«, zischte jemand.
»Ach was, Hexenschwestern sind’s, alle beide«, flüsterte ein altes Weib. »Pass auf, wir werden noch sehen, wie sie durch den Schornstein davonfliegen.«
Magdalenaschob sich an den tratschenden Frauen vorbei und versuchte, das Gerede nicht ernst zu nehmen. Als Henkerstochter war sie es gewohnt, dass nicht wenige sie für eine Ausgeburt des Satans hielten. Seit Magdalena bei der Hebamme arbeitete, war ihr Ruf sogar noch schlechter geworden. Vor allem die Männer waren sich sicher, dass die Henkerstochter Zauber- und Liebestränke mischte, und tatsächlich hatte der eine oder andere Ratsherr schon ein solches Mittel bei ihrem Vater erworben. Magdalena dagegen hatte sich bislang immer geweigert, den Leuten einen Bären aufzubinden, vor allem, um nicht noch mehr als Höllenweib verdächtigt zu werden. Vergebens, wie sie sich jetzt wieder seufzend eingestehen musste.
Unter Getuschel und Getratsche betrat sie gemeinsam mit Simon die Bäckersstube, wo die beiden ein kreidebleicher Michael Berchtholdt empfing. Der kleine dürre Mann roch wie so oft nach Branntwein, seine Augen waren rotgerändert, als hätte er eine schlaflose Nacht hinter sich. Zwischen den Fingern rieb er ein trockenes Sträußlein Beifuß, das gegen böse Geister schützen sollte. Seine ebenso magere Frau kniete vor dem Herrgottswinkel in der Ecke der Stube und murmelte Gebete, die jedoch vom Schreien der Magd übertönt wurden.
Resl Kirchlechner lag auf der mit schmutzigem Stroh bedeckten Ofenbank und wand sich, als würde sie innerlich verbrennen. Gesicht, Hände und Beine waren von roten Pusteln überzogen, die Fingerkuppen glänzten schwarz verfärbt. Ihr Bauch war aufgebläht, eine kleine runde Kugel, die an dem sonst spindeldürren Leib wie ein Fremdkörper wirkte. Magdalena vermutete, dass die Magd das Kleid bislang fest zugeschnürt hatte, um die Schwangerschaft zu verbergen.
Gerade eben richtete sich die junge Frau ruckartig auf, alshätte ihr jemand einen Besenstiel in den Rücken gerammt. Ihre Augen gingen ins Leere, die trockenen Lippen öffneten sich zu einem langgezogenen Schrei.
»Er ist in mir!«, keuchte sie. »Bei Gott, er frisst sich durch meinen Leib und reißt mir meine Seele raus!« Ein lautes Jammern folgte. »Ooohhh, ich spüre seine Zähne, ich höre das Schmatzen, wenn er sich durch meinen Bauch wühlt. Ausspucken will ich ihn wie eine faule Frucht!« Sie gab würgende Geräusche von sich, die klangen, als würde etwas Großes, Unverdautes ihre Kehle heraufkriechen.
»Mein Gott, was ist das?«, fragte Simon und blieb entsetzt an der Tür stehen.
»Das seht ihr doch, der Teufel ist in ihr!«, jammerte Maria Berchtholdt und raufte sich vor dem Herrgottswinkel die Haare, während sie weiter auf Knien vor und zurück wippte. »Er ist in sie eingefahren und frisst sie von innen her auf. Heilige Maria, bitt für uns Sünder …«
Ihre Gebete gingen wieder in ein monotones Klagen über. Michael Berchtholdt starrte derweil schweigend auf seine Magd, die in Krämpfen hin und her zuckte.
»So wie es aussieht, hat die Resl irgendwas genommen, um das Kind wegzumachen«, flüsterte
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