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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Stimme. »Ihr wisst, wo Ihr mich finden könnt.«
    Gemeinsam traten sie nach draußen, wo noch immer eine Gruppe Neugieriger wartete. Hinter ihnen ertönte gedämpft das Geschrei Michael Berchtholdts, der sie mit wüsten Flüchen überschüttete. Kurz blieb Magdalena stehen und sah in die Gesichter der Umstehenden, die Ablehnung und Abscheu zeigten.
    Eine Henkerstochter und der räudige Sohn eines Feldschers. Was für ein Paar …
    Mit einem Mal war Magdalena sich nicht mehr sicher, dass ihnen irgendjemand glauben würde. Eine Gasse tat sich zwischen den Bauern und Handwerkern auf, die Menschen wichen vor ihnen beiden zurück, als hätten sie eine ansteckende Krankheit.
    Als Magdalena und Simon Richtung Lechtor gingen, spürten sie noch lange die Blicke der anderen wie Nadelstiche im Rücken.

3
    Schongau, in der Nacht vom 13 . auf
den 14 . August, anno domini 1662
    S pät in der Nacht wachte Simon durch Lärm vor dem Fronwieserhaus auf. Er griff nach seinem Stilett, das er immer in der Büchertruhe neben seinem Bett aufbewahrte. Doch das Schlagen der Haustür und ein derber Fluch offenbarten ihm, dass es nur sein Vater sein konnte, der offenbar von irgendeiner Schenke hinter dem Ballenhaus heimgetorkelt war.
    Simon rieb sich die Augen und reckte sich. Seit dem Nachmittag schon wollte er seinen Vater wegen des Mutterkorns zur Rede stellen. Doch Bonifaz Fronwieser war spurlos verschwunden gewesen. Alles in allem kein Grund zur Sorge, in den letzten Monaten war der Alte häufiger tagelang nicht mehr aufgetaucht, dann soff er sich durch die Wirtshäuser von Schongau, Altenstadt oder Peiting. Wenn ihm schließlich das Geld ausging, schlief er seinen Rausch in irgendeiner Scheune aus und kehrte mit verkatertem Gesicht wieder heim. Nach einigen Wochen Ruhe ging es dann von vorne los. Simon vermutete, dass sein Vater die zwei Gulden Lohn für das Mutterkorn freizügig über die Gasthäuser der Gegend verteilt hatte.
    Der junge Medicus seufzte und griff nach dem Becher mit kaltem Kaffee, der auf der Truhe neben seinem Bett stand. Das bittere Gebräu würde ihm helfen, die Launen seinesVaters besser zu ertragen. Schon oft waren sie in den letzten Jahren aneinandergeraten. Bonifaz Fronwieser war ein ehemaliger Feldscher, der in Schongau eine Stelle als Arzt gefunden hatte. Simons Mutter war vor langer Zeit gestorben, sein Vater hatte immer gewollt, dass der Filius es einmal besser haben sollte. Also hatte er Simon auf die Ingolstädter Universität geschickt, wo dieser sein Geld jedoch weniger für das Studium als mehr für Kleider, Kartenspiele und schöne Frauen ausgegeben hatte. Irgendwann war Simon ohne Universitätsabschluss aus Ingolstadt zurückgekommen, und ungefähr zur gleichen Zeit hatte sein Vater mit dem Saufen begonnen.
    Simons Gedanken wurden von lauten Gesängen Bonifaz Fronwiesers unterbrochen. Der junge Medicus hörte, wie sein Vater die Stiefel in die Ecke warf und dann irgendwo zu Boden stürzte. Laut klirrend gingen einige Schüsseln zu Bruch. Blinzelnd bemerkte Simon, dass durch die Fensterläden bereits das erste Tageslicht drang. Er stand auf und zog sich an. Vermutlich war es unsinnig, mit seinem Vater gerade jetzt zu reden, doch der Zorn brannte in Simon und ließ ihn nicht wieder einschlafen.
    Als er die steile Stiege hinabstieg, sah er seinen Vater bereits auf der Bank in der Stube sitzen. Mit stierem Blick schob der alte Fronwieser einige rostige Münzen über den Tisch, die offenbar von seinem Trinkgelage noch übriggeblieben waren. Neben ihm stand ein Becher, halbvoll mit Branntwein. Simon nahm ihn und kippte den Inhalt wortlos auf den Boden. Erst jetzt schien sein Vater ihn zu bemerken.
    »Lass das!«, lallte Bonifaz Fronwieser. »Bin immer noch dein Vater.«
    »Du hast dem Berchtholdt Mutterkorn verkauft«, sagte Simon mit ausdrucksloser Stimme.
    SeinVater sah ihn mit kleinen, müden Augen an. Einen Moment lang schien er versucht zu leugnen, doch schließlich zuckte er mit den Schultern.
    »Und wenn schon. Was schert’s dich?«
    »Der Bäcker hat das Mutterkorn seiner Magd, der Resl, gegeben, und die ist gestern daran verreckt.«
    Eine Pause entstand, Bonifaz Fronwieser schien nicht gewillt, etwas zu antworten. Schließlich sprach Simon weiter: »Geschrien hat sie, dass es in ganz Schongau zu hören gewesen ist. Wie ein Schwein beim Schlachter. Aber du warst ja irgendwo beim Saufen, du hast nichts gehört.«
    Der alte Fronwieser verschränkte die Arme vor der Brust und warf den Kopf zurück.

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