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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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hinunter, um ihr die behandschuhte Hand zu reichen.
    »Mein Name ist Benedikta Koppmeyer. Und wie heißt du?«
    »Magdalena Kuisl. Ich bin die ... Hebamme hier.« Wie immer fiel es Magdalena schwer zu erwähnen, dass sie die Tochter des hiesigen Scharfrichters war. Oft schlugen die Leute dann ein Kreuzzeichen oder blickten murmelnd in eine andere Richtung.
    »Magdalena, ein schöner Name«, fuhr die Dame fort und deutete auf den Beutel. »Ich sehe, du kommst gerade von einer Geburt. Ist sie gut verlaufen?«
    Magdalena nickte, den Blick zu Boden gesenkt. Sie hoffte, dass die Reiterin nicht bemerkte, wie sie rot wurde.
    »Das freut mich«, sagte die Dame und lächelte wieder. »Davon abgesehen ... Weißt du, wo die Kirche meines Bruders ist?«
    Ohne ein weiteres Wort machte Magdalena kehrt und ging zurück auf die Dorfstraße. Im Grunde war sie froh, dass sie auf die Fremde gestoßen war; ein wenig Ablenkung würde ihr guttun.
    »Folgt mir. Es ist nicht weit von hier.« Sie deutete nach Westen. »Dort gleich hinter den Hügeln könnt Ihr die Lorenzkirche schon sehen.«
    »Ich hoffe, mein Bruder ist zu Hause«, sagte Benedikta Koppmeyer und glitt elegant vom Pferd, um dem rotbraunenFuchs eine Verschnaufpause zu gönnen. »Er hat mir einen Brief geschrieben. Es scheint wichtig zu sein.«
    Das Pferd am Zügel ziehend, folgte sie Magdalena durch die Altenstadter Dorfstraße. Durch die Schlitze der Fensterläden zur Linken und zur Rechten folgten den beiden Frauen die misstrauischen Blicke der Dorfbewohner.
     
    Simon blickte in das schwarze Loch, das sich vor ihnen auftat. Aus der rechteckigen Öffnung wehte ihnen ein muffiger, feuchter Geruch entgegen. Eine steile, in den Fels geschlagene Treppe führte nach unten, schon nach wenigen Metern verlor sich der Weg in der Dunkelheit.
    »Sollen wir ... ? «, begann er. Als der Medicus das grimmige Nicken des Henkers sah, führte er den Satz nicht zu Ende. »Wir werden ein Licht brauchen«, sagte er schließlich.
    »Wir nehmen die da.« Jakob Kuisl deutete auf zwei silberne, fünfarmige Kerzenleuchter, die auf dem Altar standen. »Der liebe Herrgott wird es uns schon nicht übelnehmen.«
    Er griff sich die beiden Leuchter und entzündete sie an einer Opferkerze, die in einer Nische vor der mit Pfeilen durchbohrten Statue des heiligen Sebastian brannte.
    »Und jetzt komm.«
    Er reichte Simon den zweiten Leuchter und stieg die Treppe hinunter. Simon folgte ihm. Die Stufen waren feucht und glitschig. Während der Medicus nach unten ging, hatte er kurz das Gefühl, einen eigenartigen Geruch wahrzunehmen. Aber er konnte ihn nicht einordnen, und der Geruch verflog wieder.
    Schon nach wenigen Metern hatten sie den Grund der Kammer erreicht. Jakob Kuisl leuchtete mit den Kerzen den fast würfelförmigen Raum aus. Zerbrochene Fässer und morsche Latten verrotteten hier; ein zersplittertes Kreuz mit einem verblichenen Jesus, von dem die Farbe abblätterte, vergammelte in einer Ecke. In einer anderen Ecke lag einBündel verschlissener Tücher. Simon griff danach. In das schimmlige Leinen waren Opferlämmer und Kreuze eingestickt. Der Stoff zerfiel ihm zwischen den Händen.
    Jakob Kuisl hatte in der Zwischenzeit eine Truhe geöffnet, die quer in der Mitte des Raums stand. Er zog einen verrosteten Kandelaber und eine heruntergebrannte Opferkerze hervor. Angewidert warf er die Gegenstände in die Truhe zurück. »Heiliger Antonius, hab Dank! Wir haben die Abstellkammer der Kirche gefunden«, knurrte er. »Nichts als Plunder!«
    Simon nickte zustimmend. Es sah so aus, als wären sie in den Trödelkeller der Lorenzkirche geraten. Hierher wurde seit Jahrhunderten offenbar alles gebracht, für das man oben keine Verwendung mehr hatte. War es also doch nur Zufall gewesen, dass der tote Pfarrer genau über der Platte gelegen hatte?
    Simons Blick glitt über die Wand, auf der durch den Kerzenschein überlebensgroße Schatten tanzten. In der Mitte, ihm genau gegenüber, lag ein Haufen Gerümpel. Bretter, zersplitterte Stühle und ein gewaltiger Eichentisch, der kopfüber an der Mauer lehnte. Hinter dem Tisch leuchtete etwas weiß auf. Simon ging hin und fuhr mit dem Finger über die Stelle.
    Als er den Finger im Schein des Leuchters betrachtete, war er weiß von Kalk.
    Erst jetzt fiel ihm wieder der Geruch auf, den er vorher auf der Treppe bereits wahrgenommen hatte. Es roch nach Kalk. Nach Kalk und frischem Mörtel.
    »Kuisl! «, rief er. »Ich glaube, hier ist etwas!«
    Als der Henker den frischen

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