Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Geheimnis. Die Sache lief aus dem Ruder! Er würde Erkundigungen einziehen müssen, wer diese Leute waren und ob von ihnen Gefahr drohte. Besonders dieser grimmige, ständig Pfeife rauchende Hüne könnte ihnen bedrohlich werden. Der Mann fühlte das. Der Riese hatte irgendetwas an sich, das ihn beunruhigte. Perlen von Angstschweiß krochen wie kleine Käfer über seine Stirn.
Hektisch holte er eine kleine Glasphiole unter seinerschwarzen Kutte hervor, entnahm ihr ein paar Tropfen und tupfte sie sich an den Hals und hinter die Ohren. Der betörende Geruch von Veilchen waberte durch die kalte Luft, und sofort fühlte sich der Fremde wieder sicher und unangreifbar. Er bezweifelte, dass die einfachen Leute dort unten mehr gefunden hatten als er und seine Verbündeten. Doch zur Sicherheit würden sie ihnen von nun an auf den Fersen bleiben. Vielleicht ließ sich ja mehr über diesen nach Tabak stinkenden Bären herausfinden.
Wie ein schwarzer Schatten glitt die Gestalt hinter den Grabsteinen hervor und schlich davon. Nur der süßliche Geruch schwebte noch eine Weile in der Luft, dann war auch er verschwunden.
2
S chweigend stiegen Simon, der Henker und die beiden Frauen die schmale Treppe aus der Krypta nach oben.
Erst als sie in der Pfarrstube saßen und Magdalena den Medicus erwartungsvoll anstarrte, begann er zu erzählen. Doch schon nach wenigen Worten stockte er. Er hatte in der ganzen Aufregung vergessen zu fragen, wer die schöne Frau an Magdalenas Seite war. Jedenfalls keine aus dem Dorf, so viel war sicher. Magdalena bemerkte seinen fragenden Blick.
»Ich hab euch noch nicht vorgestellt«, sagte sie. »Das hier ist Benedikta Koppmeyer, die Schwester von Pfarrer Koppmeyer. Sie sucht ihren Bruder.«
Jakob Kuisl, der bislang mürrisch an seiner Pfeife gezogen hatte, begann zu husten. Hinter den dichten Rauchschwaden war sein Gesicht kaum auszumachen. Der Medicus blickte betreten zur Seite. Nach einer Weile ergriff Benedikta das Wort.
»Was ist mit meinem Bruder? Es ist doch etwas, ich merk’s Euch an.«
Endlich fasste sich Simon ein Herz und begann zögerlich zu sprechen: »Nun, Euer Bruder ist, wie soll ich es sagen, er ist...«
»Tot ist er«, unterbrach ihn Kuisl. »Steif und tot. Bet für ihn. Er wird es nötig haben.«
Mit diesem Satz stand er auf und ging nach draußen. Das Quietschen der Tür klang lange nach, während Simon immernoch nach Worten rang. Benedikta Koppmeyers ohnehin schon blasses Gesicht schien noch ein wenig durchsichtiger geworden zu sein. Fassungslos sah sie den Medicus an.
»Ist das wahr?«, flüsterte sie. »Andreas ist tot?«
»Was soll das heißen?«, fragte jetzt auch Magdalena. » Simon, erklär dich!«
Innerlich verfluchte Simon die Taktlosigkeit dieses mürrischen Holzkopfs von Henker. Er hatte ihn schon öfter in solchen Situationen erlebt; trotzdem war er immer wieder irritiert über dessen grobes Auftreten, das so gar nicht zu jenem Jakob Kuisl passen wollte, der stundenlang über Bücher brüten konnte oder mit seinen siebenjährigen Zwillingen Georg und Barbara im Garten Fangen spielte.
Nach einigen Zögern fing der Medicus an zu erzählen. Die Pfarrersschwester schien sich während seines Berichts wieder zu fangen. Sie hörte konzentriert zu, mit geballten Fäusten und einem Blick, der Simon zeigte, dass diese vornehme Frau schon einige andere Schicksalsschläge in ihrem Leben verkraftet haben musste.
»Ich weiß nicht, was hier gespielt wird«, sagte sie schließlich. »Aber jetzt erklärt sich wenigstens der Brief, den mein Bruder mir geschickt hatte. Er schreibt darin von einer seltsamen Entdeckung und dass er nicht weiß, an wen er sich wenden soll. Mein Bruder und ich ... « Sie stockte und schloss kurz die Augen, die Lippen zu zwei schmalen Strichen zusammengepresst. »Wir sind uns sehr nahegestanden. Es war nicht das erste Mal, dass er mich in einer wichtigen Angelegenheit um Rat fragte. Er hat immer auf seine kleine Schwester gehört ... « Sie rang sich ein Lächeln ab.
»Darf ich fragen, wann Ihr den Brief genau bekamt?«, fragte Simon leise.
»Vor drei Tagen. Ich bin sofort hierher aufgebrochen.« »Von wo?«, hakte Simon nach.
Benedikta Koppmeyer sah ihn fragend an. »Hab ich das noch nicht erwähnt? Ich komme aus Landsberg, unten amLech. Mein verstorbener Gatte hatte dort einen Weinhandel. Ich führe die Geschäfte seit ein paar Jahren.«
Und offenbar nicht gerade schlecht, dachte Simon, während er die elegante Kleidung der
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