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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Mörtel sah, schob er mit einer einzigen Bewegung den massiven Eichentisch zur Seite. Dahinter war ein frisch vermauertes, nur brusthohes Portal zu erkennen.
    »Schau einer an«, keuchte Jakob Kuisl, während er mit den Füßen das restliche Gerümpel zur Seite räumte. »DerPfaffe hat tatsächlich selbst bei den Umbauarbeiten Hand angelegt. Nur anders, als wir dachten. Sieht so aus, als hätte er diesen Eingang frisch zugemauert.« Mit dem Finger bohrte er im noch nicht trockenen Mörtel.
    »Was wohl dahinter ist?«, fragte Simon.
    »Hol mich der Teufel, wenn’s nichts Wertvolles ist«, sagte Jakob Kuisl und kratzte mit dem Zimmermannsnagel den frischen Mörtel aus den Fugen, bis dahinter Mauersteine sichtbar wurden. »Wetten möcht ich, dass der Pfaffe genau deswegen umgebracht worden ist.«
    Mit dem Fuß trat er gegen das vermauerte Portal. Einige Ziegel flogen in eine Öffnung dahinter und lösten eine Kettenreaktion aus. Krachend und berstend stürzte die ganze Mauer in sich zusammen. Nach einer Weile war wieder Ruhe, eine Wolke Mörtelstaub hing in der Luft und versperrte die Sicht durch das nun offene Portal. Erst als sich der Staub gelegt hatte, konnte Simon dahinter einen weiteren Raum ausmachen. Etwas Großes, Schweres stand in der Mitte, doch es war zu dunkel, um mehr zu erkennen.
    Der Henker stieg über den Steinhaufen hinweg und duckte sich durch die niedrige Öffnung. Simon hörte, wie er anerkennend durch die Zähne pfiff.
    »Was ist?«, fragte Simon und versuchte vergeblich, von seiner Position aus mehr zu sehen als einen gigantischen Schemen.
    »Das schaust du dir am besten selber an«, sagte Jakob Kuisl.
    Mit einem Seufzen folgte Simon dem Henker. Gebückt stieg er durch den engen Torbogen und leuchtete mit dem Kandelaber in den zweiten Raum.
    Die Kammer war leer bis auf einen gewaltigen Steinsarg, der auf einem noch gewaltigeren Steinblock thronte. Der Sarg war schlicht und ohne Verzierungen. Nur das Relief eines gut fünf Fuß langen Breitschwerts war auf der Platte abgebildet. Auf der ihnen zugewandten Kopfseite des Steinblockswar eine lateinische Inschrift eingemeißelt. Simon ging hin, um sie zu entziffern.
    Non nobis, Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam.
    »Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen sei Ehre«, las der Medicus leise vor.
    Irgendwoher kannte er diesen Spruch, aber er konnte sich nicht erinnern, wann und wo er ihn gelesen hatte. Fragend blickte er den Henker an, der mittlerweile neben ihm kniete und ebenfalls nachdenklich auf die Inschrift blickte.
    Schließlich zuckte Kuisl mit den Schultern. »Du bist doch der Gelehrte«, knurrte er. »Jetzt zeig, dass dein sauteures Studium zu etwas nütze war.«
    Unwillkürlich musste Simon schmunzeln. Jakob Kuisl würde es ihm nie verzeihen, dass er studiert hatte, während dies dem Henker wegen seines ehrlosen Stands verwehrt geblieben war. Kuisl hielt nichts von den gelehrten Quacksalbern, und oft musste Simon ihm auch zustimmen. Aber jetzt wäre es wohl besser gewesen, er hätte sein Ingolstädter Medizinstudium nicht nach sieben Semestern aus Geldmangel und Faulheit abgebrochen.
    »Ich weiß nicht, woher ich diesen Spruch kenne«, fluchte der Medicus. »Aber ich schwöre, ich find’s heraus. Und wenn ich ...«
    Er brach ab, weil er im Nachbarraum ein Geräusch zu hören glaubte. Schabende Schritte, die sich eilig entfernten. Etwas strich an einer Wand entlang. Oder hatte er sich getäuscht? Hallende, unterirdische Gewölbe konnten einem so manchen Streich spielen. Vielleicht war das Geräusch ja auch von oben aus der Kirche gekommen?
    Der Henker hatte offenbar nichts vernommen. Er hatte in der Zwischenzeit damit begonnen, die Wände abzutasten, konnte aber keinen weiteren Ausgang finden.
    »Wenn es stimmt, dass der fette Pfaffe dafür gestorben ist«, murmelte er, »dann muss hier unten mehr sein als einsteinernes Grab. Oder ... « Er wandte sich wieder dem Sarkophag zu. »Das Geheimnis ist im Grab.«
    Er ging zum Kopfende des Steinblocks und versuchte, die Platte von sich wegzuschieben. Dabei lief sein Gesicht puterrot an.
    »Kuisl! Ihr könnt doch nicht ... «, rief Simon. »Das ist Störung der Totenruhe!«
    »Ach was! «, schnaufte der Henker, während er sich weiter mit der Platte abmühte. »Die Toten schert das nicht. Und dieser hier ist schon so lange tot, dass sich nicht mal mehr die Lebenden beschweren können.«
    Ein Knirschen war zu hören, dann schob sich die Steinplatte einen Fingerbreit nach vorne.

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