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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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rief Matthias Augustin. »Ihr habt mich überzeugt. Ich werde mein Möglichstes tun. Aber versprechen kann ich euch nichts.«
    »Wir versprechen auch nichts«, sagte der Henker und strich mit einer schnellen Bewegung die Münzen vom Tisch in seinen großen Mantel. Der Greis versuchte zu protestieren, aber ein Blick des Henkers ließ ihn verstummen.
    »Kommt übermorgen nach der großen Ratsversammlung zu mir in die Stube«, sagte Jakob Kuisl. »Ich bin sicher, Euer Sohn braucht einen Tiegel Arnika.« Fast mitleidig blickte er zu dem immer noch ohnmächtigen Georg Augustin, der verkrümmt auf dem Boden lag. Eine Lache trockenen Blutes umrahmte seine schwarzen Locken. Dann wandte der Henker sich wieder dem Vater zu.
    »Vielleicht findet sich in meinem Schrank auch ein Elixier, das Euch Linderung verschafft. Denn glaubt mir, wir schäbigen Bader und Feldschere haben den studierten Doktoren noch das eine oder andere Geheimnis voraus.«
    Er ging zum Ausgang und winkte mit dem Sack.
    »Wenn die Ratsversammlung Gutes bringt, dann wird dieser Beutel den Besitzer wechseln. Wenn nicht, werf ich ihn in den Lech. Gehabt Euch wohl.«
    Simon folgte ihm nach draußen. Bevor er die Tür schloss, konnte er drinnen den Greis erneut stöhnen hören. Die Krämpfe hatten wieder angefangen.Die Ratsversammlung zwei Tage später war die seltsamste, die Schongau je erlebt hatte. Matthias Augustin hatte den ganzen Vortag dazu genutzt, die Mitglieder des Inneren Rates einzeln in die Mangel zu nehmen. Gegen jeden hatte er etwas in der Hand. Jeden konnte er mit Drohungen, Schmeicheleien und Überredungskunst auf seine Seite bringen. Als er schließlich auch den Gerichtsschreiber Johann Lechner überzeugt hatte, stand dem weiteren Plan nichts mehr im Wege.
    Als der Landgraf am Morgen vor die Ratsversammlung trat, erwartete ihn ein verschworener Haufen aufklärerischer Bürger, die jeden kleinsten Verdacht von Hexerei in das Reich der Legende verdammten. Die Ermittlungen seitens des Rats hatten zweifelsfrei ergeben: Die Hexenzeichen waren nichts als ein Kinderspiel, der Stadlbrand ein Racheakt des verruchten Augsburger Packs und die ermordeten Kinder Opfer zwielichtigen Gesindels, das sich in den Wäldern rund um Schongau versteckt hielt. Alles in allem traurig zwar, aber beileibe kein Grund zur Hysterie.
    Dank einer glücklichen Fügung war zudem am Morgen des dritten Mai der ehemalige Landsknecht und Strauchdieb Christoph Holzapfel von den Soldaten des Landgrafen gefasst worden. Die Henkerstochter Magdalena erkannte ihn alsbald als ihren Entführer; und schon am Abend gestand der verruchte Söldner im Kerker der Fronfeste, drei Schongauer Kinderlein aus reiner Bosheit ermordet zu haben.
    Merkwürdigerweise war für das Geständnis keinerlei Folter notwendig. Aber der Henker musste ihm wohl in der kurzen Stunde, die er mit dem Entführer seiner Tochter alleine war, die Folterinstrumente gezeigt haben. Jedenfalls war der Mörder danach zu einem schriftlichen Geständnis bereit, das er mit der linken Hand unterschrieb.Die rechte hing wie ein nasser, roter Lappen herab und schien nur noch von Haut und Sehnen gehalten zu werden.
    Der Landgraf machte ein paar lahme Versuche, die Stechlin trotz allem der Hexerei zu überführen. Aber da sie bislang nicht gestanden hatte, hätte er für eine weitere Folter die Erlaubnis aus München einholen müssen. Die vier Bürgermeister und der Gerichtsschreiber machten ihm klar, dass er dabei nicht auf ihren Rückhalt zählen könne.
    Den Ausschlag gab schließlich der alte Matthias Augustin, der in farbigen Worten vor der gesamten Versammlung die Gräuel des letzten großen Hexenprozesses von 1589 schilderte. Zustände wie diese wollte auch der kurfürstliche Stellvertreter nicht wieder herbeireden.
    So zog am Mittag des vierten Mai 1659 der Tross des Grafen Wolf Dietrich von Sandizell wieder Richtung Thierhaupten auf sein Gut, um dort von fern die Geschicke Schongaus zu lenken. Als die Soldaten in blitzendem Kürass durch das Stadttor ritten, winkten die Bürger ihrem Herren noch lange nach. Lärmende Kinder und kläffende Hunde begleiteten die Kutsche bis nach Altenstadt. Die Bürger waren sich einig: Es war schön gewesen, so hohe Herrschaften einmal aus nächster Nähe gesehen zu haben. Noch schöner war es, sie wieder davonreiten zu sehen.
     
    Der Henker ging hinüber zur Fronfeste und ließ sich von den Bütteln die Tür aufsperren. Zwischen feuchtem Stroh und ihrer eigenen stinkenden Notdurft lag Martha

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