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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Stechlin und schlief. Ihr Atem ging ruhig, die Beule an der Stirn war fast abgeschwollen. Jakob Kuisl beugte sich zu ihr hinunter und strich ihr über die Wange. Ein Lächeln ging über sein Gesicht. Er erinnerte sich daran, wie ihm diese Frau bei der Geburt seiner Kinder zur Seite gestanden hatn.An das Blut das Schreie n und das Weinen. Merkwürdig, da chte er. Der Mensch wehrt sich mit Händen und Füßen, wenn er auf die Welt kommt, und wenn er wieder gehen soll, wehrt er sich auch.
    Martha Stechlin öffnete die Augen. Sie brauchte eine Zeit, um aus ihrem Traum zurück in den Kerker zu finden.
    »Was ist, Kuisl?«, fragte sie, noch nicht ganz bei Bewusstsein. »Geht’s weiter? Musst mir jetzt wieder weh tun?«
    Lächelnd schüttelte der Henker den Kopf.
    »Nein, Martha, wir gehen heim.«
    »Heim?«
    Die Hebamme richtete sich auf. Sie blinzelte, als wollte sie überprüfen, ob sie noch träumte. Jakob Kuisl nickte.
    »Heim. Die Magdalena hat ein bisserl bei dir aufgeräumt, und der junge Schreevogl hat einen Batzen Geld gestiftet. Für ein neues Bett, Geschirr, was’d halt so brauchst. Für den Anfang wird’s schon gehen. Komm, ich helf dir hoch.«
    »Aber warum ...?«
    »Frag jetzt ned. Geh heim. Ich erzähl’s dir nachher.«
    Er packte sie bei den Achseln und half ihr auf die Füße, die noch immer geschwollen waren. An seiner Seite humpelte Martha Stechlin auf die geöffnete Tür zu. Sonnenlicht drang von draußen herein. Es war der Morgen des fünften Mai, ein warmer Tag. Die Vögel zwitscherten, vom Marktplatz her ertönten die Rufe der feilschenden Mägde und Bürgersfrauen; von den Feldern wehte der Wind den Geruch von Sommer und Blumen zu ihnen herüber. Wenn man die Augen schloss, konnte man sogar den Lech rauschen hören. Die Hebamme stellte sich in den Eingang und ließ das Sonnenlicht auf ihr Gesicht scheinen.
    »Heim«, flüsterte sie.
    Jakob Kuisl wollte sie unter den Achseln stützen, doch sie schüttelte den Kopf und machte sich los. Alleine humpelte sie die Gasse entlang ihrem kleinen Häuschen entgegen. Hinter der nächsten Biegung war sie verschwunden.
    »Der Henker als Menschenfreund, wer hätte das gedacht?«
    Die Stimme kam von der anderen Richtung her. Jakob Kuisl blickte sich um und sah den Gerichtsschreiber auf sich zuschlendern. Er hatte seinen Ausgehrock an, die Krempe des Huts war galant nach oben geschlagen, in seiner rechten Hand baumelte ein Spazierstock. Der Henker grüßte stumm, dann wollte er weitergehen.
    »Lust auf einen kleinen Spaziergang, Kuisl? «, fragte Johann Lechner. »Die Sonne lacht, und ich finde, wir sollten uns einmal ausführlich unterhalten. Wie viel bekommst du eigentlich im Jahr Salär? Zehn Gulden? Zwölf? Ich finde, du bist unterbezahlt.«
    »Keine Sorge, dieses Jahr hab ich gut verdient«, brummte der Henker, ohne aufzusehen. Gemächlich stopfte er seine Pfeife. Das Innere des Pfeifenkopfes schien weitaus interessanter zu sein als der Mann vor ihm. Johann Lechner blieb stehen und spielte mit seinem Stock. Lange schwiegen sie.
    »Ihr habt’s gewusst, nicht wahr?«, fragte Jakob Kuisl schließlich. »Die ganze Zeit habt Ihr’s gewusst.«
    »Ich habe immer nur an die Belange der Stadt gedacht«, sagte Lechner. »Was anderes zählt nicht. Es erschien mir so am einfachsten.«
    »Am einfachsten ... «
    Der Gerichtsschreiber spielte mit seinem Stock. Es sah aus, als würde er nach Kerben im Griff suchen.
    »Ich wusste, dass der alte Schreevogl dem Matthias Augustin eine Menge Geld schuldete. Und mir war klar, dasser als angesehener Hafnermeister viel mehr besessen haben musste, als im Testament aufgeführt war«, sagte er, während er in die Sonne blinzelte. »Außerdem kannte ich den eigenwilligen Humor des Alten. Als dann die Skizze des Baugrunds aus dem Archiv verschwunden war, war klar, dass sich jemand sehr für dieses Grundstück interessierte. Zuerst hatte ich den jungen Schreevogl im Verdacht, aber der konnte ja nicht ins Archiv ... Schließlich fiel mir ein, dass Ferdinand Schreevogl seinem Freund Augustin bestimmt vom Versteck hinter der Kachel erzählt hatte. Von da an war eigentlich alles offensichtlich. Nun, es freut mich, dass sich alles doch noch zum Guten gewendet hat.«
    »Ihr habt Augustin gedeckt«, knurrte Jakob Kuisl und zog an seiner Pfeife.
    »Wie ich schon sagte, zum Wohl der Stadt. Ich konnte mir das mit den Zeichen nicht erklären. Außerdem ... wer hätte mir schon geglaubt? Die Augustins sind eine mächtige Sippe in Schongau. Der

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