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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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notdürftig mit einem Stück Stoff seine Wunde verband. Gleichzeitig erzählte er dem Henker, was vorgefallen war.
    »Der ehrenwerte Matthias Augustin«, brummte Jakob Kuisl schließlich in Richtung des Greises, als Simon mit seiner Geschichte am Ende war. »Ihr könnt wohl von Scheiterhaufen nicht genug haben. Haben Euch die vielen nicht gelangt, die mein Großvater damals angezündet hat? Haben nicht schon genug Weiber geschrien?«
    »Gott ist mein Zeuge, ich habe das nicht gewollt«, sagte Matthias Augustin. »Alles, was ich wollte, war das Geld.«
    »Euer verdammtes Geld«, sagte der Henker. »Blut klebt daran. Ich will es nicht. Nehmt’s und freßt’s meinetwegen!«
    Er griff unter seinen Mantel und zog einen kleinen, schmutzigen Leinensack hervor. Angewidert warf er ihnauf den Tisch, wo er aufplatzte. Goldene und silberne Münzen ergossen sich über die Tischplatte und rollten klimpernd auf den Boden.
    Der Greis sah mit offenem Mund zu. Dann beugte er sich über den Tisch und raffte die Münzen an sich.
    »Mein Schatz! Mein Geld«, keuchte er. »Ich werde in Würde sterben können. Mein Haus lebt weiter.« Er fing an, die Münzen zu zählen.
    »Eigentlich schad, das ganze Geld für einen Pfeffersack wie Euch«, knurrte Jakob Kuisl. »Ich überleg, ob ich’s Euch wieder wegnehm. «
    Ängstlich blickte Matthias Augustin zu ihm hinüber. Er hielt mit dem Zählen inne, seine Finger zitterten.
    »Das wagst du nicht, Henker«, zischte er.
    »Warum nicht?«, sagte Kuisl. »Keiner würde etwas merken. Oder wollt Ihr dem Rat erzählen, ich hätt Euch Ferdinand Schreevogls Schatz weggenommen? Geld, das eigentlich der Kirche zusteht und das Ihr unrechtmäßig an Euch gerissen habt?«
    Matthias Augustin sah ihn misstrauisch an.
    »Was willst du, Henker?«, fragte er. »Das Geld schert dich doch nicht. Was dann?«
    Jakob Kuisl schob seinen massigen Körper über die Tischplatte, bis sein Gesicht direkt vor dem zahnlosen Mund des Greises war.
    »Könnt Ihr’s nicht erraten?«, murmelte er. »Dass Ihr den Rat und den Grafen überzeugt, dass es keine Hexe gibt, das will ich. Dass alles nur ein Kinderspiel war mit Hollersaft und Zauberreim. Dass die Hebamme freikommt und diese Jagd ein Ende hat. Helft mir dabei und Ihr bekommt das gottverdammte Geld.«
    Matthias Augustin schüttelte den Kopf und lachte. »Selbst wenn ich das wollte, wer würde mir glauben? Esgab Tote, der Stadl ist verbrannt, die Söldner auf der Baustelle ... «
    »Die Zerstörung der Baustelle war ein Sabotageakt von Bürgern, die hier kein Siechenhaus wollten. Eine Lappalie ... «, warf Simon ein, als er merkte, worauf der Henker hinauswollte. »Den Stadl haben die Augsburger angezündet«, fuhr er eilig fort. »Doch um die Nachbarschaft nicht zu gefährden, wird es keine weiteren Folgen mehr haben. Und die toten Kinder ...«
    »Peter Grimmer ist ins Wasser gefallen, ein Unfall, wie der Medicus hier bezeugen kann«, sagte Jakob Kuisl bedächtig. »Und die anderen ... Nun, der Krieg ist noch nicht lange her. Die Gegend wimmelt von Strauchdieben und Straßenräubern. Außerdem, wen schert schon das Leben von ein paar Waisenkindern, wenn er mit einer Lüge die Stadt retten kann?«
    »Die Stadt ... retten?«, fragte Matthias Augustin verwundert.
    »Nun«, warf Simon ein. »Wenn Ihr dem Landgraf keine gute Geschichte auftischt, wird er nach weiteren Hexen suchen, und zwar so lange, bis halb Schongau brennt. Erinnert Euch an den Hexenprozess in Eurer Kindheit, dutzende Frauen kamen auf den Scheiterhaufen. Der Rat wird Euch unterstützen und auch ein paar kleine Lügen schlucken, wenn Ihr dafür sorgt, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Ihr allein habt den Einfluss, die Ratsmitglieder und den Landgrafen zu überzeugen. Nutzt ihn! Ich bin sicher, Ihr wisst über jeden eine kleine Gemeinheit, mit der Ihr zur Not drohen könnt.«
    Matthias Augustin schüttelte den Kopf.
    »Euer Plan wird nicht aufgehen. Zu viel ist passiert ... «
    »Denkt an das Geld«, unterbrach ihn der Henker. »An das Geld und Euren Ruf. Wenn wir den Leuten da draußenerzählen, was Ihr und Euer Sohn für Hundsfotte seid, dann wird uns wahrscheinlich keiner glauben. Wir wissen selbst, dass uns die Beweise fehlen. Aber wer weiß, irgendetwas bleibt immer hängen ... Ich kenn’ die Leut. Sie tratschen, und auch die hohen Herren und Damen suchen mich von Zeit zu Zeit auf für einen Liebestrank oder eine Warzensalbe, und da kommt man so ins Reden ... «
    »Hört auf, hört auf!«,

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