Die Henkerstochter
Dünnbier und dachte nach. Die Augsburger planten schon lange eine neue Handelsroute auf der schwäbischen Lechseite, um das Schongauer Transportmonopol zu umgehen. Bis jetzt hatte ihnen der Herzog immer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ohne Zweifel kamen ihnen auf lange Sicht die jetzigen Ereignisse entgegen. Wenn Schongau wegen teuflischer Umtriebe gemieden wurde, würden immer mehr Händler für eine neue Strecke plädieren. Hinzu kam, dass Schongau gerade jetzt ein Siechenhaus plante. Nicht wenige im Rat glaubten, dass davon Händler abgeschreckt werden könnten.
Sollte der Mann mit der Knochenhand also von Augsburg geschickt worden sein, um Angst und Chaos zu verbreiten?
»Das hier geht aufs Haus.«
Aus seinen Gedanken aufgeschreckt, sah Simon nach oben. Bürgermeister Karl Semer persönlich stand vor ihm und knallte einen Humpen Bockbier auf den Tisch, dass der Schaum spritzte. Simon musterte den Wirt. Es kam selten vor, dass sich der Erste Bürgermeister Schongaus persönlich in die Wirtsstube begab. Simon konnte sich nicht erinnern, dass er jemals von ihm angesprochen worden war. Abgesehen von dem einen Mal, als Semers Sohn mit einem Fieber im Bett gelegen hatte. Aber da hatte ihn der Bürgermeister so von oben herab behandelt wie einen zugereisten Bader und ihm nur widerwillig ein paar Heller in die Hand gedrückt. Jetzt lächelte er ihn freundlich an und setzte sich zu ihm an den Tisch. Mit fetten, beringten Fingern winkte er eine der Mägde herbei und ließ sich ein weiteres Bier bringen. Dann prostete er Simon zu.
»Ich hab von dem Tod des kleinen Kratz gehört. Eine schlimme Sach. Es sieht so aus, als hätte die Stechlin noch einen Helfershelfer in der Stadt. Aber das werden wir bald rausfinden. Schon heute zeigen wir ihr die Instrumente.«
»Wie könnt Ihr so sicher sein, dass es die Stechlin war?«, fragte Simon, ohne das Prosten zu erwidern.
Semer nahm einen tiefen Zug vom Dunkelbier und wischte sich über den Bart.
»Wir haben Zeugen, dass sie mit den Kindern satanische Riten gefeiert hat. Außerdem wird sie uns spätestens auf der Streckbank ihre Sünden gestehen, davon bin ich überzeugt.«
»Ich hab gehört, bei Euch gab’s eine Schlägerei mit den Augsburgern«, hakte Simon nach. »Der Grimmer-Vater soll ein paar von denen übel mitgespielt haben ...«
Karl Semer wirkte kurz irritiert, dann prustete er abfällig.
»Nichts Besonderes war das, so etwas kommt immer wieder vor. Kannst die Resl fragen. Die war an dem Tag Schankmagd.«
Er winkte das Mädchen an den Tisch. Resl war um die zwanzig und mit ihren Kuhaugen und der schiefen Nase vom Herrgott nicht gerade mit Schönheit gesegnet. Schamvoll hielt sie den Kopf gesenkt. Simon wusste, dass sie ihn schon des Öfteren verträumt beobachtet hatte. Bei den Mägden galt er nach wie vor als einer der annehmlichsten Männer der Stadt. Außerdem war er noch unverheiratet.
Karl Semer lud die Magd ein, sich zu ihnen an den Tisch zu setzen.
»Erzähl, was es mit der Schlägerei mit den Augsburgern vor ein paar Tagen auf sich hatte, Resl. «
Die Magd zuckte mit den Schultern. Dann brachte sie ein schmales Lächeln hervor, während sie Simon von der Seite ansah.
»Das war’n ein paar Männer aus Augsburg. Die hab’n zu viel getrunken und sich über unsere Flößer aufgeregt. Dass sie die Waren nicht richtig vertäuen und sie beschädigen. Dass sie auf der Fahrt saufen und dass dem Grimmer gerade deshalb eine Ladung abgesoffen ist.«
»Und was hat der Grimmer dazu gesagt?«, fragte Simon.
»Der hat getobt und dem einen Augsburger eine aufs Maul gehauen. Und im Nu flogen hier die Fetzen. Die Knechte haben alle vor die Tür gesetzt. Dann war wieder Ruhe.«
Karl Semer grinste den Medicus an und nahm einen weiteren Schluck.
»Du siehst, nichts Besonderes.«
Plötzlich hatte Simon eine Idee.
»Resl, hast du an dem Tag vielleicht einen großen Manngesehen, mit einer Feder am Hut und einer Narbe im Gesicht? «
Zu seiner Verwunderung nickte die Magd sofort.
»Da war einer. Der saß hinten in der Ecke, mit zwei anderen. Düstere Männer, ich glaub, das waren Soldaten. Die hatten Säbel, und der große, der hatte eine lange Narbe, die ging übers ganze Gesicht. Und gehinkt hat er auch ein bisschen. Der sah aus, als hätte ihn der Teufel geschickt ...«
»Haben die mitgemacht bei der Schlägerei?«
Die Magd schüttelte den Kopf. »Nein, die haben nur zugeschaut. Aber nach der Keilerei sind sie schnell gegangen. Sie sind ...«
»Resl,
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