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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Kreuz. Als Henkerstochter war sie den Dorfbewohnern unheimlich. Somancher vermutete, dass sie es mit dem Beelzebub trieb. Auch hatte sie schon vernommen, dass ihre Schönheit nichts weiter als ein Tauschgeschäft mit dem Höllenfürsten höchstpersönlich sei. Nichts weniger als ihre unsterbliche Seele habe sie ihm dafür verkauft. Sie ließ die Leute in dem Glauben; das schützte sie wenigstens vor allzu aufdringlichen Freiern.
    Ohne weiter auf die Bauern zu achten, bog sie nach rechts in eine Gasse ab, um bald darauf vor dem kleinen, windschiefen Haus der Hebamme zu stehen.
    Sofort sah sie, dass etwas nicht stimmte. Die Fensterläden waren trotz des schönen Morgens zugezogen; die Kräuter und Blumen in dem kleinen Garten vor dem Haus waren teilweise niedergetrampelt. Magdalena ging zur Tür und drückte die Klinke. Die Tür war abgeschlossen.
    Spätestens jetzt wusste sie, dass etwas faul war. Die Daubenbergerin galt als besonders gastfreundlich, noch nie hatte Magdalena ihr Haus verschlossen vorgefunden. Alle Frauen des Ortes durften sich jederzeit an die alte Hebamme wenden.
    Energisch klopfte sie an die schwere Holztüre.
    »Daubenbergerin, bist du da?«, rief sie. »Die Magdalena aus Schongau ist’s! Ich hab dir das Liebfrauenpulver mitgebracht!«
    Es dauerte eine Weile, dann öffnete sich oben das Fenster im Dachgiebel. Misstrauisch blickte Katharina Daubenberger auf sie hinunter. Die alte Frau sah besorgt aus, in ihrem Gesicht waren noch mehr Falten als sonst zu sehen. Sie wirkte blass und müde. Als sie Magdalena erkannte, rang sie sich ein Lächeln ab.
    »Ach, du bist’s, Magdalena!«, rief sie. »Das ist schön, dass du kommst. Bist allein?«
    Magdalena nickte. Vorsichtig hielt die Hebamme nachallen Seiten Ausschau, dann verschwand sie nach drinnen. Schritte auf der Stiege ertönten, ein Riegel wurde zurückgeschoben. Schließlich öffnete sich die Türe. Hastig winkte die Daubenbergerin sie hinein.
    »Was ist los?«, fragte Magdalena nach dem Eintreten. »Hast den Bürgermeister vergiftet?«
    »Was soll schon los sein, dummes Huhn!«, blaffte die Hebamme zurück und schürte das Feuer im Herd. »Aufgelauert haben sie mir in der Nacht, die Burschen vom Dorf. Das Haus wollten’s mir anzünden. Grad noch rechtzeitig ist der Kößl Michael gekommen, der Großbauer, und hat sie zurückgepfiffen. Mausetot wär ich sonst!«
    »Ist es wegen der Stechlin?«, fragte Magdalena und setzte sich auf den wackligen Stuhl neben dem Herd. Vom Marschieren taten ihr die Füße weh.
    Katharina Daubenberger nickte.
    »Jetzt sind wieder alle Hebammen Hexen«, murmelte sie. »Wie schon zu Großmutters Zeiten, nichts ändert sich.«
    Sie setzte sich zu Magdalena und goss ihr ein dunkles, aromatisch duftendes Gebräu in den Becher.
    »Trink das«, sagte sie. »Honigwasser mit Bier und Aqua Ephedra. «
    »Aqua was?«, fragte Magdalena. »Meerträubchenessenz. Das wird dich wieder auf die Beine bringen.«
    Magdalena nippte an dem heißen Sud. Er schmeckte süß und belebend. Sie hatte das Gefühl, als würde die Kraft in ihre Beine zurückkehren.
    »Weißt du, was genau passiert ist bei euch im Ort?«, wollte Katharina Daubenberger wissen.
    Magdalena berichtete der Hebamme in groben Zügen, was sie wusste. Simon hatte ihr vorgestern Abend bei ihrem Spaziergang am Lech von dem toten Jungen und demHexenzeichen auf der Schulter erzählt. Außerdem hatte sie gestern Nacht das Gespräch zwischen dem Medicus und ihrem Vater durch die dünne Holzwand der Stube teilweise belauschen können.
    »Und jetzt hat es vermutlich noch einen weiteren Jungen erwischt, auch wieder mit diesem Zeichen auf der Schulter«, kam sie zum Ende. »Der Simon ist in der Nacht noch hin. Seitdem hab ich nichts mehr von ihm gehört.«
    »Eingeritzter Hollersaft, sagst du?«, fragte die Daubenbergerin nachdenklich. »Das ist merkwürdig. Man könnte vermuten, der Teufel hätte Blut genommen, nicht wahr? Auf der anderen Seite ... «
    »Was ist?«, warf Magdalena ungeduldig ein.
    »Nun, der Schwefel in der Tasche des Jungen, und dann dieses Zeichen ...«
    »Ist es wirklich ein Hexenzeichen?«, fragte Magdalena.
    »Sagen wir, es ist das Zeichen der weisen Frauen. Ein uraltes Zeichen. Soweit ich weiß, zeigt’s einen Handspiegel, den Spiegel einer sehr alten, mächtigen Göttin.«
    Die alte Hebamme stand auf und ging zum Herd, um noch einen Scheit nachzulegen.
    »Jedenfalls wird es uns noch eine Menge Ärger einbringen. Wenn das so weitergeht, geh ich zu meiner

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