Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
einen verwahrlosten Eindruck.
    Johann Lechner ließ seine Fackel durch den Raum streifen. Dann strafte er den Henker mit einem vorwurfsvollen Blick.
    »Hättest schon ein bisserl aufräumen können.«
    Jakob Kuisl zuckte mit den Schultern. »Ihr habt’s es ja so eilig gehabt.« Stoisch begann er die Stühle aufzustellen.
    »Und die letzte Befragung ist schon ein wenig her. «
    Der Henker erinnerte sich gut. Es war vor vier Jahren gewesen, als er den Falschmünzer Peter Leitner hier mit nach hinten gebundenen Händen an den Deckenhaken gehängt hatte. Sie hatten ihm 40-Pfund-Steine an die Beine gebunden, als schließlich die Arme brachen und er sein Geständnis winselte. Zuvor hatte Kuisl ihn bereits mit Daumenschrauben und glühend heißen Zangen malträtiert. Der Henker war von Anfang an von Leitners Schuld überzeugt gewesen. So wie er jetzt von der Unschuld der Stechlin überzeugt war.
    »Gott verdamm, beeil dich! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
    Der Schreiber ließ sich in einen der Stühle fallen und wartete, bis Jakob Kuisl auch für die übrigen Anwesenden eine Sitzgelegenheit geschaffen hatte. Mit seinen beiden Pranken von Händen wuchtete der Henker einen schweren Eichentisch hoch und ließ ihn vor Lechner auf den Boden krachen. Der Schreiber maß ihn mit einem weiteren strafenden Blick, dann zückte er Tintenfass und Feder und breitete eine Rolle Pergament vor sich aus.
    »Wir wollen beginnen.«
    Die Zeugen hatten in der Zwischenzeit Platz genommen. Martha Stechlin drückte sich an die gegenüberliegende Wand, als suchte sie ein Mauseloch, durch das sie entwischen könnte.
    »Sie soll sich ausziehen«, sagte Johann Lechner. Jakob Kuisl sah ihn verwundert an.
    »Aber, Ihr wolltet doch erst ...«
    »Ich sagte, sie soll sich ausziehen. Wir wollen sie auf Hexenmale untersuchen. Wenn wir welche finden, dann ist ihre Schuld erwiesen, und die Befragung wird umso schneller vonstattengehen. «
    Zwei Büttel gingen auf die Hebamme zu, die sich mit verschränkten Armen in eine Ecke gehockt hatte. Der Bäcker Michael Berchtholdt leckte sich die dünnen Lippen. Er würde heute noch zu seinem Schauspiel kommen.
    Jakob Kuisl fluchte innerlich. Damit hatte er nicht gerechnet. Das Untersuchen auf Hexenmale war ein oft angewandtes Mittel bei der Hexenjagd. Waren am Körper der Verdächtigen merkwürdig geformte Muttermale zu sehen, deutete das auf ein Zeichen des Teufels hin. Oft machte der Henker dann noch die Nadelprobe, bei der er der vermeintlichen Hexe in das verdächtige Muttermal stach. Kam kein Blut, war sie mit Sicherheit eine Hexe. Kuisl wusste von seinem Großvater, dass dieser Mittel und Wege gekannt hatte, Blutungen bei der Nadelprobe zu verhindern. So war der Prozess schneller zu Ende, und der Henker kam schneller an sein Geld …
    Ein reißendes Geräusch schreckte ihn aus den Gedanken. Einer der Büttel hatte der Stechlin das stinkende, fleckige Kleid vom Leib gezerrt. Darunter war die Hebamme bleich und mager. Blaue Flecken waren an den Schenkeln und Oberarmen zu sehen, Überbleibsel vom Kampf mit Josef Grimmer gestern früh. Mit beiden Händen versuchte sie Brüste und Scham zu bedecken und drückte sich an die Kellerwand.
    Der Büttel zog sie an den Haaren empor, so dass sie laut aufschrie. Jakob Kuisl sah, wie die kleinen, roten Augen des Bäckers Michael Berchtholdt den Leib der Hebamme wie mit Fingern abtasteten.
    »Muss das sein? Gebt ihr doch wenigstens einen Stuhl!« Jakob Schreevogl war aufgesprungen und wollte den Bütteln in die Arme fallen. Der Schreiber zog ihn wieder hinunter.
    »Wir wollen die Wahrheit herausfinden. Dafür ist es nötig. Und meinetwegen, gebt der Stechlin einen Stuhl!«
    Widerwillig schob der Büttel einen Stuhl in die Mitte und setzte die Hebamme dort ab. Ihre ängstlichen Blicke huschten hin und her zwischen Schreiber und Henker.
    »Schneidet ihr die Haare ab«, sagte Lechner. »Wir wollen auch dort nach Hexenmalen sehen.«
    Als sich der Büttel mit einem Messer näherte, nahm ihm Kuisl mit einer schnellen Bewegung die Waffe ab.
    »Das mach ich.«
    Vorsichtig schnitt er der Hebamme die strähnigen Locken ab. Büschel von Haaren fielen rings um den Stuhl zu Boden. Martha Stechlin weinte lautlos.
    »Hab keine Angst, Martha«, flüsterte er nahe an ihrem Ohr. »Ich werd dir nicht wehtun. Heut noch nicht.«
    Johann Lechner räusperte sich. »Henker, ich will, dass du diese Frau nach Hexenmalen absuchst, überall.«
    Der Bäcker Berchtholdt beugte sich hinüber zum

Weitere Kostenlose Bücher