Die Henkerstochter
es ist genug, du kannst jetzt wieder an deine Arbeit gehen«, mischte sich der Bürgermeister ein.
Als die Magd gegangen war, sah der Wirt Simon erbost an.
»Was soll das Gefrage? Zu was führt das? Die Stechlin war’s, und damit ist’s gut. Was wir brauchen, ist wieder Ruhe in der Stadt, und mit dem Gefrage regst du die Menschen nur mehr auf. Lass die Finger davon, Fronwieser, das schafft nur Verwirrung.«
»Aber es ist doch gar nicht sicher ...«
»Ich hab gesagt, lass die Finger davon!« Karl Semer tippte mit seinem fetten Zeigefinger auf Simons Brust. »Du und der Henker, ihr schafft nur Unruhe mit eurer Fragerei. Lasst es gut sein, verstanden?«
Mit diesen Worten richtete sich der Bürgermeister auf und begab sich grußlos in die oberen Gemächer. Simon trank sein Bier aus und wandte sich zum Gehen.
Als er hinaus ins Freie treten wollte, hielt ihn jemand am Rock fest. Es war die Magd Resl. Unsicher blickte sie sich nach hinten um, ob sie jemand beobachtete.
»Ich muss Euch noch was sagen. Die drei Männer ... «, flüsterte sie.
»Ja? «
»Sie sind nicht weggegangen. Sie sind nur nach oben. Sie hab’n da wohl noch jemanden getroffen.«
Simon nickte. Wer in Schongau etwas zu besprechen hatte, der ging in den »Stern«. Und wer wollte, dass ihn keiner dabei beobachtete, der nahm sich ein Zimmer in den oberen Stockwerken. Seiteneingänge sorgten dafür, dass man zu diesem Zweck nicht einmal durch den Schankraum musste. Mit wem hatten sich die drei Männer dort oben nur getroffen?
»Ich dank dir, Resl. «
»Und dann ist da noch was ... « Die Magd sah sich verstohlen um. Ihre Stimme war kaum noch zu hören, als sie weitersprach. Ihre Lippen berührten fast Simons Ohr.
»Glaubt’s mir oder nicht. Als der Große mit der Narbe seine Zeche gezahlt hat, hab ich seine linke Hand gesehen. Bei Gott, ich schwör’s Euch, die war aus Knochen. Der Teufel ist hier in Schongau, und ich hab ihn gesehen ...«
Ein Ruf ließ die Magd zusammenfahren, sie wurde im Schankraum verlangt. Mit einem letzten schmachtenden Blick auf den jungen Medicus wandte sie sich ab.
Als das Mädchen verschwunden war, blickte Simon an der prächtigen Fassade des Wirtshauses mit seinen verglasten Fenstern und Stuckmalereien empor. Mit wem hatten sich die Männer hier getroffen?
Simon schauderte unwillkürlich. Es sah so aus, als hätte Sophie mit ihrer Beschreibung doch die Wahrheit gesagt. Vielleicht war der Teufel tatsächlich nach Schongau gekommen.
»Es ist so weit, Martha. Du musst aufstehen.«
Der Henker war unbemerkt in die kleine Zelle getreten und zupfte die Hebamme am Mantel, den sie sich als Decke übergeworfen hatte. Martha Stechlin hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. Ein Lächeln ging über ihre Lippen. Sie schien in einer Welt zu sein, in der es keine Angst und keinen Schmerz gab. Jakob Kuisl tat es leid, sie in die harte Wirklichkeit zurückholen zu müssen. Hier würde es bald sehr viel Schmerz geben. Sie musste stark bleiben.
»Martha, der Rat ist gleich da!«
Diesmal schüttelte er sie. Die Hebamme öffnete die Augen und blickte einen Augenblick verwirrt umher. Dann holte sie die Erinnerung ein. Sie strich sich die vom Staub verfilzten Haare aus dem Gesicht und blickte wie ein gehetztes Tier um sich.
»Mein Gott, jetzt geht es also los ...« Sie fing zu weinen an.
»Du musst keine Angst haben, Martha. Ich werd dir die Geräte heut nur zeigen. Du musst durchhalten. Wir werden ihn finden, den Mörder, und dann ...«
Ein Quietschen unterbrach ihn. Das Licht der späten Nachmittagssonne fiel durch die sich öffnende Tür ins Innere der Feste. Vier Stadtknechte traten ein und stellten sich an den Wänden auf. Ihnen folgten die Abgesandten des Rats und der Gerichtsschreiber Johann Lechner.
Als Kuisl die drei Ratsherren sah, stutzte er. Eigentlich war für den heutigen Tag nur das Zeigen der Folterinstrumente vorgesehen. Für die spätere Folter war eine Genehmigung aus München notwendig, außerdem die Anwesenheit des Pflegverwalters. Sollte es der Gerichtsschreiber wagen, auf eigene Faust mit der peinlichen Befragung anzufangen?
Johann Lechner schien das Zögern des Henkers zu bemerken. Aufmunternd nickte er ihm zu.
»Es hat alles seine Richtigkeit«, sagte er. »Die drei Ratsherren werden als Zeugen auftreten. Je schneller wir diese Sache aus der Welt schaffen, umso schneller herrscht wieder Frieden in der Stadt. Seine Exzellenz Graf Sandizell wird uns dafür dankbar sein.«
»Aber ...«, begann
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