Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
sagte sie. „Wir haben etwas zu erledigen. Gemeinsam.“ Ohne einen Blick zurück auf Aeron oder die nun wüst fluchende Legion zu werfen, schlenderte sie davon, als fürchtete sie sich nicht vor dem restlichen Tag.
16. KAPITEL
Ich kann nichts sehen“, flüsterte Aeron eine Stunde später. „Es ist zu dunkel.“ Zudem war es eine unnatürliche Dunkelheit. Nicht ein Fleckchen Licht war zu sehen, und die Taschenlampe, die er mitgebracht hatte, erhellte nichts. Stattdessen wurde ihr Strahl von der erstickenden Finsternis vollständig verschluckt.
„In der Nacht, als mir Lysander erschienen ist, sagte er mir, dass ich bis zum Ablauf des Ultimatums in jeder wichtigen Hinsicht ein Engel bleiben werde“, sagte Olivia. „Ich denke also, ich kann …“
„Schhh. Nicht so laut.“ Er wollte nicht, dass sie zur Zielscheibe wurde. Der Gedanke machte ihn richtiggehend wütend, doch er konnte nur sich selbst die Schuld geben. Er hätte sie nicht herbringen dürfen, ob Albtraum nun eine Bedrohung darstellte oder nicht. Aber er … er hatte sie einfach nicht in Legions Reichweite lassen wollen. Oder in die Nähe von Torin. Und außerdem hatte er Lysander versprochen, Olivia die rauen Seiten seines Lebens zu zeigen.
Ich bin so ein Idiot. Ein Idiot, der in seinem selbst verursachten Chaos unterging. Sehnsucht nach Olivia – jawohl. Sie hatte nicht das kleinste bisschen abgenommen, ganz im Gegenteil. Eine eifersüchtige, blutrünstige Pseudotochter, die fest entschlossen war, seinen Engel zu töten, war auch vorhanden. Ein Schwur, besagten Engel zur Rückkehr nach Hause zu bewegen – ja. Auch wenn er sich jetzt schon für diesen Schwur hasste. Sie nach Hause schicken und niemals wissen, wie es ihr ginge? Folter!
„Sie schläft“, sagte Olivia, und zwar wieder in voller Lautstärke.
„Sie kann aufwachen“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Dunkelheit hatte ihm nie etwas ausgemacht. Doch als er sich nun zentimeterweise die Stufen zu Scarlets Zuhause hinabtastete, das sich als unterirdische Gruft auf dem örtlichen Friedhof entpuppt hatte, als er gegen – Möbel? Särge? – stieß und er keine Ahnung hatte, was ihn hier erwartete, mischte sich beim Gedanken an die Möglichkeit, Olivia geradewegs in ein blutiges Gemetzel zu führen, Angst unter seine Wut. Wie sollte er sie so beschützen?
„Sie wird nicht aufwachen, das verspreche ich dir. Aber was ich gerade sagen wollte: Da mein Ultimatum noch nicht abgelaufen ist, kann ich vielleicht …“
Als Olivia mitten im Satz abbrach, blieb er stehen und drehte sich langsam um. Sie lief in ihn hinein und machte „uff“. Obwohl er sie nur kurz spürte, genoss er den Körperkontakt. Sie war so weich und warm. Berauschend. Abermals war sein Körper sofort bereit.
Meins, sagte Zorn.
Ich weiß. Das hast du schon gesagt. Immer und immer wieder, verdammt. Und Aeron hatte ihn gelassen. Hatte aufgehört, sich um ihn zu kümmern. Weil … Nein. Denk nicht weiter.
Einen Moment lang herrschte absolute Stille. Ihre Atemzüge waren das einzige Geräusch im Raum. Die Luft war muffig und ganz stickig, roch nach Alter, Staub und Tod, und dennoch wäre er zufrieden gewesen, für immer und ewig hier zu warten. Hier war sie sicher. Hier waren sie zusammen.
„Kannst du vielleicht was?“, hakte er schließlich nach.
„Das.“ Kleine Lichtpunkte flammten auf.
Er blinzelte und rieb sich die Augen. Die Lichtpunkte funkelten direkt auf ihrer Haut, verschmolzen miteinander und wurden immer heller. Schließlich waren sie so hell, dass sie die Schatten verjagten und seine Augen zu tränen anfingen.
„Wie …“
Langsam begann sie zu lächeln, ihr wunderschönes Gesicht strahlte wie der reinste Stern, die himmelblauen Augen eingerahmt von diesen sündhaft langen Wimpern. Er hätte ihr auf der Stelle einen Kuss geben können, der ihr den Atem geraubt hätte. Wag es ja nicht. Doch nun, da er wusste, wie sie schmeckte, und sie sich an ihm gerieben hatte, wie sollte er da noch widerstehen?
Legion. Lysander. Freiheit.
Ach ja. Er hätte fluchen können.
„Manchmal waren die Menschen in der Dunkelheit gefangen, und ich habe ihnen den Weg nach draußen zeigen müssen.“ Olivia verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere und wies mit dem Kinn hinter ihn. „Scarlet ist direkt um die Ecke. Ich kann sie spüren.“
„Danke.“ Mit steifen Bewegungen drehte Aeron sich um. Sogleich betrauerten seine Augen den Verlust ihres Anblicks.
Auch Zorn heulte in lautem Protest
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