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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Schlamm.
    »Da hast’s nun, Tagdieb«, sagte sie. Und als sie sich wieder zurück in die Stube wandte: »Die Mannsbilder!«
    Die Gefährten, die der Szene wie einem Theaterstück von ihrem Tribünenplatz aus gefolgt waren, sahen sich an.
    »Wir müssen ihm helfen, sonst erstickt er«, meinte Aldo. Es war das Erste, was er sagte.
    »Ein Mann, der eine edle Frau so behandelt, verdient keine Hilfe«, wandte Gilfalas ein. Er machte eine angewiderte Handbewegung. Aldo hatte gar nicht gewusst, dass der Elb so hehre moralische Prinzipien hatte; aber vielleicht hing das mit der allgemeinen Einstellung seines Volkes gegenüber Frauen zusammen.
    »Vielleicht kann er uns sagen, wo wir hier sind«, versuchte er es noch einmal.
    Burin schnaubte. Es klang fast wie ein Lachen. »Der ist froh, wenn er seinen eigenen Namen sagen kann.«
    Einen Augenblick noch standen sie unschlüssig da. Dann, bevor sie etwas unternehmen konnten, sahen sie plötzlich einen Fackelschein auf der anderen Seite des Platzes, am Ende einer Gasse; man hörte das Klirren von Metall.
    »Wachen«, sagte Gorbaz.
    Der Mann auf dem Boden stemmte sich hoch und stierte um sich.
    »Wir nehmen ihn mit«, entschied Burin kurzerhand. Mit ein paar raschen Schritten war er auf den Betrunkenen zugegangen und griff ihm unter die Arme. Ein bärtiges, dreckverkrustetes Gesicht starrte ihn aus einem blutunterlaufenen Auge an; das andere war von einer ledernen Klappe bedeckt.
    »Lass mich …«
    Er versuchte sich zu wehren, war dazu aber offensichtlich nicht mehr in der Lage. Jeden Augenblick konnten die Wachen kommen und sie sehen.
    »Jetzt helft mir doch schon!«, zischte Burin.
    Aldo wusste nicht, was er tun sollte, und Gilfalas war offenbar immer noch nicht ganz Herr seiner selbst. Doch Gorbaz hatte den Ernst der Lage begriffen. Seine mächtige Faust sauste nieder und schickte den Fremden ins Reich der Träume. Dann wuchtete er ihn hoch – das Gewicht des Mannes machte selbst ihm zu schaffen –, warf ihn wie einen Sack über die Schulter und suchte nach der nächsten Gassenöffnung.
    »Vadite!«
    »Abmarsch!«, übersetzte Aldo.
    Das Licht war nun fast schon so hell, dass man die Steine in der Gasse sehen konnte, aber auch nur fast. Sie konnten nicht rennen, da sie immer noch auf den Weg achten mussten, um nicht zu stolpern oder hinzufallen. Die Gasse war voller Unrat, und es stank. In welch übler Gegend waren sie hier gelandet?
    »Habt ihr etwas von den anderen gesehen?«, fragte Burin im Laufen. »Von Gwrgi – und Ithúriël?«
    »Sie sind nicht hier«, sagte Gilfalas. »Ich weiß es. Ich würde es spüren.«
    Fackeln flammten heller, als der Trupp Soldaten aus der Gasse auf den Platz drängte. Sie waren zu viert: ungeschlachte Kerle mit ledrigen Gesichtern, in denen jeder Funke Gefühl und Geist erstorben zu sein schien, so tierisch dumpf blinkten die schwarzen Augen. Es waren keine Bolgs; vielleicht würden ihre Söhne oder Enkel einmal welche werden. Aber es waren auch keine richtigen Menschen mehr; denn sie standen schon im Schatten eines dunkleren Erbes.
    Ihre genagelten Stiefel knallten auf das Pflaster, platschten im Matsch. Ihre Bewegungen waren grob und abgehackt und ließen die Lederrüstungen knirschen. Hier und da klingelte Metall. Ein Geruch von ungewaschenen Kleidern, von Leder und Öl ging von ihnen aus. Sie trugen kurze Speere mit breiten Klingen: die Waffen einer Stadtwache, die sie mit Kraft in den Schlamm rammten.
    Hinter ihnen kam einer, der alles andere als ungeschickt war. Mit jedem seiner Schritte schien er über den Boden zu gleiten, als berühre ihn der Dreck und Unrat in den Gassen überhaupt nicht. Seine Rüstung war schwarz und geschuppt, dass sich das fahle Licht an den Kanten brach. Der Mantel, der ihn umwehte, war schwarz wie die Nacht, und schwarz war sein Haar, doch das Gesicht schien bleich wie das Antlitz des Mondes. Nur die Augen unter den geschwungenen Brauen waren rot wie Glut, und der Hauch des Drachen schien die ganze Gestalt zu umwehen wie Rauch, der von Feuer kündet.
    Ein Blick reichte ihm, um zu erfassen, wo er war. Eine Handbewegung genügte als Befehl, für den jedes Wort verschwendet gewesen wäre.
    Zwei der Wachen warfen sich mit den Schultern gegen die schwere Holztür des Gebäudes. Die Tür ächzte in ihren Angeln, aber der schwere Riegel, mit dem sie von innen gesichert war, hielt stand.
    Im Gebäude flammten Lichter auf. Irgendwo ertönte ein schriller Schrei. Man hörte Schritte, Fußgetrappel auf einer

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