Die Herren der Zeit
die von Eurer Hand geschaffen wurden. Was ich darüber hinaus erwartete – ich weiß es nicht. Aber ich wähnte Euch in der Untererde, in Eurem hohen Hause, umgeben von Euren Dienern, die mit Euch ausharren würden bis zum Ende aller Dinge.«
»Und ich, Herr«, ergriff Gilfalas das Wort, »glaubte Euch in der Überwelt, an den Wassern des Erwachens, Eurer Braut mit süßem Gesang huldigend, im Angesicht der Erweckten meines Volkes. Was hat Euch und die Herrin hinabgetrieben in die todgeweihten Mittelreiche?«
»Und was«, fügte Ithúriël hinzu, »ist mit dem Hohen Elbenfürsten geschehen? Er hinterließ mir seinen Ring als Pfand, dass er dereinst wiederkehren werde, doch man hat seit vielen Jahren nichts mehr von ihm gehört oder gesehen, und ich trage schwer an dieser Bürde.«
Als er sie so reden hörte, fasste auch Aldo Mut, und obwohl er nie geglaubt hätte, dass er einmal die Kühnheit besitzen würde, sein Wort an das Göttliche Paar zu richten, hörte er sich sagen: »Und wisst Ihr, hochlöblicher Vater, oder Ihr, ehrwürdige Mutter, was aus Herrn Kimberon geworden ist und aus Kaiser Fabian – ich meine, Prinz Fabian … ach, ich bin ganz durcheinander«, schloss er und errötete bis über beide spitzen Ohren.
Die Mutter lächelte ihm zu, und der Vater sagte: »So viele Fragen. Was ist mit dir, Gorbaz, Miles des zweiten Manipels der zwölften Cohorte der Zwanzigsten Legion. Hast du keine Fragen?«
»Ich frage nicht«, sagte Gorbaz. »Befehlt, und ich werde gehorchen.«
»Das mag für diesmal genügen«, meinte der Gott. »Doch der Große Bolg wird nicht nur gehorchen, sondern auch befehlen müssen und, wenn es sein muss, kämpfend untergehen.
Euch anderen kann ich so viel sagen: Die Überwelt und die Untererde sind an den Rand ihres Seins gedrängt worden, als der dunkle Fürst, dessen Name hier ungenannt bleibe, das Gefüge der Zeit ins Wanken brachte. Wer die Vergangenheit ändert, dem wird die Zukunft die Gegenwart zerstören. Eure Freunde sind ihm auf der Spur, um das Geschehene ungeschehen zu machen, doch sie benötigen Eure Hilfe. Und der einzige Weg zu dem Ort und der Zeit, wo ihr gebraucht werdet, führt durch das Tor, das sich zu euren Füßen auftut.«
Sie alle wandten sich dem kreisrunden Teich in der Mitte des Saales zu, dessen Wasser schwarz wie die Nacht blinkte. Nur dass sich nichts darin spiegelte, weder ein gestirnter Himmel noch die hohe Kuppel des Gewölbes mit den darin einbeschriebenen Bahnen. Es war, als verschlucke der Teich jedwedes Licht, und hätte nicht ab und an ein Kräuseln seine Oberfläche durchzogen, das sich in Wellen an den Rändern brach und sich vielfach überkreuzend verebbte, hätte man glauben können, es sei keine Flüssigkeit darinnen, sondern schwarzer Obsidian, hart wie Glas.
Gorbaz trat als Erster an den Rand des Teiches heran. Für ihn gab es keine Frage; er war Soldat, und er hatte einen Befehl erhalten, von der höchsten Autorität, die er anerkannte. Er würde gehorchen.
Aldo schwindelte, als er sich zu ihm gesellte. Das Wasser des Teiches schien unendlich tief zu sein, gerade weil sich nichts darin spiegelte, und er hatte das Gefühl, bis auf den Grund der Welt zu blicken.
Burin zögerte noch einen Moment, was dem Meister auf dem Thron nicht entging.
»Nun«, sagte er, »traust du den Worten deines Meisters nicht, Burorin?«
Burin erstarrte.
Einen Augenblick lang fehlten ihm die Worte ob des Ungeheuerlichen, was der Meister da gesagt hatte. Nicht, was die Frage betraf, sondern den Nachsatz. Soeben war er nur ein einfacher Zwerg gewesen, und jetzt … hatte er richtig gehört? Hatte der Meister der Untererde ihn ›Burorin‹ genannt?
»Ihr … Ihr erweist mir Ehre, Meister«, sagte er rasch, ehe er noch weiter nachdenken konnte, »und gewiss ist es Euer Recht, auch wenn ich mich dessen nicht würdig weiß. Und dennoch …«
»Sprich!«
»Dieses Tor … Wenn das wahr ist, was die Legende berichtet, dann schuf es Meister Fregorin wider Euren Willen – aber Fregorin liegt bestattet in seinem steinernen Sarkophag, seit dem Krieg gegen die Gnome, und darum … darum dürfte es nicht existieren, nicht in dieser Weltzeit …«
»Aber wer sagt, dass Fregorin im Kampf fiel? Wer legte ihn in Stein, wenn die Gnome es nicht taten? Willst du alle Geheimnisse der Zeit wissen, Burorin, Balorins Sohn, Belforins Sohn aus dem Hause Bregorins? Glaubst du, es steht dir zu, das Wort zu kennen, mit dem die Welt geschaffen wurde, und das, mit dem sie
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