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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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endet?«
    Burin wand sich. »Nein, gewiss nicht, Meister …«
    »Zwar ist es Uns nicht gestattet«, ergriff die Meisterin das Wort, »in den Ablauf der Geschichte einzugreifen. Aber«, fuhr sie fort, und jedes Lächeln war aus ihren Augen geschwunden, »wenn das Gefüge der Welt erschüttert wird, dann bedienen Wir Uns Unserer Schöpfung, um die Ordnung der Dinge wieder herzustellen. Und so wird sich alles am Ende nur als Teil Unseres Plans erweisen. Noch Fragen?«
    Burin hatte keine weiteren Fragen mehr. Er wandte sich um und trat an den Rand des Teiches.
    »Komm«, sagte Gilfalas zu Ithúriël und reichte ihr die Hand. »Wenn unsere Freunde dies wagen, können wir es auch.«
    Sie nahm die dargebotene Hand, doch im Gehen begriffen, wandte sie sich noch einmal um.
    »Und was ist mit ihm?«, fragte sie, mit dem Blick auf Gwrgi, der allein und verlassen im Raum stand.
    »Er ist im göttlichen Plan nicht vorgesehen«, meinte der Gott und runzelte die Stirn. »Er soll zurück zu den anderen Geschöpfen gehen, die außerhalb unserer Ordnung stehen.«
    »Aber ich habe ihm versprochen, mich um ihn zu kümmern«, wandte Ithúriël ein. Tränen standen ihr in den Augen.
    »Es tut mir leid, Schwester«, sagte die Göttin, »aber mein Herr hat recht. Das Gefüge der Zeit ist brüchig genug; wir können kein weiteres Element mehr brauchen, dessen Wirkung wir nicht abwägen können.«
    Ithúriël seufzte.
    »Verzeih mir, Gwrgi«, sagte sie dann. »Ich habe es nicht gewollt, dass du wieder so geworden bist, wie du einst warst. Vielleicht wird die Zeit auch deine Wunden heilen. Aber dem Gebot der Gottheit kann ich mich nicht widersetzen.«
    Gwrgi sah sie mit einem Blick an, dass es einem das Herz hätte brechen können. Dann machte er zögernd zwei, drei Schritte in Richtung des Tores, dessen mächtige Flügel immer noch halb offen standen.
    Ithúriël wandte sich ab. Blind vor Tränen trat sie an den Rand des schwarzen Beckens und griff nach den Händen der anderen. Hand in Hand umstanden sie das Rund und holten ein letztes Mal tief Luft.
    »Lebt wohl«, sagte der Gott, und die Göttin fügte hinzu: »Wir werden bei euch sein, wo – und wann immer ihr seid.«
    Aldo schloss die Augen, ehe er zu dem letzten, entscheidenden Schritt in die Tiefe ansetzte.
    »Neiiiin!« Ein schriller Schrei, der das Blut gefrieren ließ. Mit zwei, drei Sätzen war Gwrgi heran. Er griff nach Ithúriël, packte sie so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen, und gemeinsam mit ihr stürzte er hinab in die dunkle Tiefe.
    Und die Kette zerriss.

K APITEL X
EIN MISSRATENER HELD
    Burin erwachte.
    Genau gesagt: Burorin erwachte. Er hatte den Schock der Überraschung noch nicht verwunden, das Wort des Meisters, leichthin gesagt. Es war der Wunsch, der Traum eines jeden Zwergen, einmal im Leben der Würde teilhaftig zu werden, die mit der Längung des Namens einhergeht. Je länger der Name eines Zwergen, desto höher sein Rang, desto größer seine Bedeutung. Nur einer der drei Erzmeister, der ersten aller Zwerge, besaß die Macht, einen Namen zu längen, und diese Macht wurde weitergegeben von dem Vater auf den Sohn, zumindest bei den Zwergen der Mittelreiche. Doch nun hatte der Meister der Untererde selbst ihn erhoben, unter Zeugen, fast beiläufig, aber sicherlich nicht minder gültig.
    Fühlte er sich nun anders als zuvor? War er ein Held geworden, der er früher, ungeachtet seiner Abkunft aus dem ältesten Geschlecht seines Volkes, nur ein Zwerg wie andere gewesen war? Er lauschte in sich hinein. Er spürte keinen Unterschied. Vielleicht, so sagte er sich, war es immer nur für die anderen zu erkennen, wenn einer befördert wurde. Nein, er war kein anderer als zuvor; im Gegenteil, er kam sich fast ein wenig wie ein Hochstapler vor. Für sich und seine Freunde würde er immer Burin bleiben.
    Er öffnete die Augen. Dunkelheit herrschte ringsum, aber es war nicht das Dunkel der Höhle; das wusste er sofort. Über sich sah er einen schmalen Streifen von Helligkeit, kein Tageslicht, aber ein Licht, das von weit oben kam. Rechts und links ragten schwarze Wände empor, und ihre gezackten Kanten schienen sich in einer steten Bewegung zu befinden. Der Wind, der über sein Gesicht strich, roch nach Fäulnis und Erbrochenem. Einen Moment fragte der Zwerg sich, ob er betrunken war und sich deshalb alles um ihn drehte.
    Aber er hatte nichts getrunken. Er war in einen schwarzen Schacht gestürzt und lag jetzt auf dem Grund. Oder war er am anderen Ende wieder

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