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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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über die Zwerge hinweg, betäubte die Sinne, ließ das Mark zu Eis gerinnen, das Blut zu Wasser werden, raubte den Willen, brach den Verstand.
    Dann brach die Welle der entfesselten Gnome über die Zwerge hinein und begrub sie unter sich.
    »Und so beginnt es«, sagte Gwrgi leise. »Der Krieg der Gnome gegen die Zwerge. Aus einem Missverständnis heraus, wenn man so will. Aus dem Zusammentreffen zweier Welten, die auf ewig hätten getrennt bleiben sollen. Aber wer weiß, was es am Ende vielleicht noch Gutes bringen wird?«
    »Wie wird es enden?«
    »Komm«, sagte er, »ich zeige es dir.«
    Wieder führte er sie an der Hand durch schattige Stollen und Gänge. Hier und da hörten sie Waffengeklirr, Schreie. Sie wusste, dass das, was sie sah und hörte, nicht wirklich war, nicht in dem Sinne eines Ereignisses, das sich hier und jetzt vollzieht. Es waren Momente einer Entwicklung, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinzog.
    Mit jedem Schritt, den sie und ihr kleinwüchsiger Führer taten, legten sie nicht nur ein Stück Weges, sondern auch eine Spanne Zeit zurück.
    Schließlich betraten sie die Halle der Ahnen.
    Es war ein langer, gewölbter Raum, mehr ein riesiger Stollen als eine Halle. Zur Rechten und zur Linken reihten sich in gehauenen Nischen steinerne Sarkophage. Staunend ging Ithúriël daran entlang, und selbst Gwrgi, der sonst immer so unerschütterlich wirkte, war ganz still und in sich gekehrt. Alle Steinsärge waren geschlossen. Es mussten Hunderte, wenn nicht Tausende sein. Wie stumme, steinerne Wächter standen sie dort, schmucklos bis auf die Namensglyphen derer, die darin ruhten.
    »Sind sie alle tot?«, flüsterte Ithúriël.
    »Alle bis auf einen«, gab Gwrgi ebenso leise zurück.
    Am Ende der Halle stand Herr Fregorin. In seinen Armen ruhte der Leichnam eines Zwergen, und er schien weit schwerer zu wiegen als bloßes Fleisch und Gebein. Mit übermenschlicher Kraft wuchtete der Zwergenmeister den Toten in den steinernen Kasten, der in der vorletzten Nische stand. Dann war nur noch das Knirschen zu hören, als der Deckel des Sarkophages geschlossen wurde.
    Einen Augenblick stand Fregorin wie in tiefes Nachsinnen oder in ein stummes Gebet versunken. Dann hallten laute Schläge durch das langgestreckte Gewölbe.
    »Die Gnome«, sagte Gwrgi auf Ithúriëls fragenden Blick hin. »Sie brechen die Tür auf.«
    Fregorin wandte sich um. Der Ausgang der Halle war rund und mit einer steinernen Platte verschlossen. Fregorin packte zu und wälzte sie beiseite. Er trat durch die Öffnung und machte sich nicht einmal mehr die Mühe, den schweren Stein wieder davorzurollen.
    Ithúriël und Gwrgi gingen ihm nach. Als sie die Halle der Ahnen verließen, warf Ithúriël noch einen letzten Blick zurück.
    Der Sarkophag in der letzten Nische stand offen, unberührt. Dahinter lehnte der Deckel an der Wand der Grabkammer. Auf ihm prangte das Zeichen, das sie bereits kannte: die Glyphe des Herrn von Zarakthrôr.
    »Aber«, sagte sie, »ich habe doch gesehen, dass der Sarg geschlossen war. Fregorin …«
    »Ein kleiner Unterschied mit großer Wirkung.« Gwrgi grinste und sah plötzlich wieder wie ein kleiner, schelmischer Gnom aus. »Das konnte der Schattenfürst nicht ahnen. Denn in dieser Zeit war der Krieg der Zwerge gegen die Gnome kürzer und heftiger und mit anderem Ausgang. In jener anderen Zeit, aus der wir kommen, gab es keinen Überlebenden.«
    »Dann gab es auch dort einen Krieg? Aber wieso?«
    »Die Schatten«, erklärte Gwrgi, »hätten sich früher oder später von selbst befreit. Doch es hätte länger gedauert, bis die Zwerge den Weg in das andere Reich gefunden hätten. Und so wären sie einer nach dem anderen gestorben, und Herr Fregorin wäre selbst aus Verzweiflung zu Stein geworden.«
    »Aber wer hätte ihn dann in den Sarg gelegt?«
    Gwrgi sah sie aus seinen hellen Augen an. »Habt Ihr nicht gehört, was der Meister der Untererde sagte? Vielleicht war er es selbst und will es nur nicht zugeben. Vielleicht waren es die Gnome; denn letztlich haben sie ihn nie gehasst. Letztlich suchten auch sie nach einem Meister.«
    Ein Knirschen ließ ihn herumfahren. Langsam schlossen sich die mächtigen Flügel in dem reich skulptierten Portal, das zu der Gewölbten Halle führte.
    »Schnell«, sagte er. »Denn dieses Tor werden wir selbst als Geister nicht überwinden, sobald Herr Fregorin es geschlossen hat.«
    Sie schlüpften durch den sich verengenden Spalt, bevor die Tür mit einem dumpfen Schlag ins

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