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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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genug zum Leben, aber es reichte allenfalls für ein frugales Mahl.
    »Immerhin ist es besser als der Fraß, den man den Arbeitern in der Feste geboten hat«, knurrte Fabian bei dem Versuch, sich ein Stück Hartwurst abzuschneiden. Dabei stellte er plötzlich fest, dass er immer noch das Messer besaß, das der Ffolksmann ihm gegeben hatte. »Hier«, sagte er, »nimm ihn zurück, mit Dank. Ich kann mir jetzt einen eigenen Dolch suchen.«
    Kim grinste, als er den Dolch nahm. »Als Küchenmesser des Kaisers ist Knipper mir immer noch lieber als im Kampf gegen die Bolgs.«
    Fabian seufzte. »Die Leute sind halb verhungert. Ich wünschte mir, wir hätten wenigstens einen Kessel, um einen Eintopf zu bereiten. Ich denke immer noch an den Eintopf, den uns Marina immer gekocht hat.«
    Kim seufzte ebenfalls. »Ich auch. Aber für Erinnerungen haben wir jetzt keine Zeit. Wie müssen aufbrechen.«
    Der Zug hatte sich bereits formiert. Es gab keine richtige Straße hier in den Vorgebirgen. Kim und Fabian gingen voran; es folgten einige der Männer, nunmehr mit Speeren und Schilden bewaffnet, dann die Frauen und Kinder und schließlich eine wiederum bewaffnete Nachhut. Der Wagen kam in der Mitte. Die Bolgs hielten sich ein wenig abseits, da zwischen ihnen und den ehemaligen Sklaven immer noch ein ungewisser Waffenstillstand herrschte.
    Die Sonne stand schon über den Bergen, als Kims scharfe Augen auf halber Höhe eines Hanges ein helleres Band sahen, das sich wie mit der Schnur gezogen um die gerundete Kuppe legte.
    »Da!«, rief er. »Das sieht wie eine Straße aus.«
    Fabian musterte die Linie abschätzig. »Könnte auch ein Bergpfad sein. Damit wäre uns kaum geholfen.«
    Kims Blick folgte dem Verlauf des Weges nach Westen, empor zu den fernen Gipfeln, die in der immer noch rötlichen Glut der Sonne dampften. Plötzlich kniff er die Lider zusammen und wandte den Blick ab. In seinen Augen standen Tränen. »Was ist?«, fragte Fabian.
    »Da war ein Licht«, sagte Kim, »oben auf dem Berg. Es hat mich geblendet. Hast du es nicht bemerkt?«
    Fabian blickte aus zusammengekniffenen Augen zu der fernen Bergkette hin. »Ich sehe nichts«, sagte er.
    »Jetzt ist es wieder weg.«
    »Du hast zu lange auf den Firn gestarrt«, meinte Fabian. »Das hat dir in die Augen gestochen.«
    »Nein«, widersprach der Ffolksmann und stand auf. »Ich habe mich nicht geirrt. Das war ein Zeichen. Dorthin müssen wir gehen.«

K APITEL XII
DIE RÄUBER VOM FELS
    »So langsam«, knurrte Aldo vor sich hin, »sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.«
    »Was hast du gesagt?« Gorbaz, der mit seinen schweren Tritten neben ihm einherstiefelte, beugte sich zu dem Ffolksmann herab. Seine kleinen Schweinsäuglein funkelten. »War das ein Witz?«
    Seit der erste Sinn für Humor in dem großen, ungeschlachten Bolg aufgeblitzt war, nahm er die Welt, so schien es, vorzugsweise von der komischen Seite.
    »Ich wollte damit nur sagen, dass mir der Wald langsam auf den Geist geht«, meinte Aldo.
    Gorbaz bedachte diese Worte, fand aber anscheinend keinen rechten Sinn darin. »Du magst keinen Wald?«
    »Doch«, seufzte Aldo. »Aber in Maßen, wenn’s geht. Nicht so viel davon.«
    »Aha.«
    Sie bewegten sich schon den ganzen Tag nur unter Bäumen dahin. Es war eine irritierende Erfahrung für Aldo und, wie es schien, für einige seiner Gefährten nicht minder. Zwar war dies derselbe Weg, den sie gegangen waren, als sie nach Allathurion gekommen waren, und doch war nichts so, wie sie es in Erinnerung hatten. Allerdings lag diese Erinnerung auch viele hundert Jahre in der Zukunft – einer Zukunft, deren Entstehung sie gerade zu verhindern suchten.
    Das grüne Blätterdach wollte kein Ende nehmen. Auf dem Hinweg hatte es hier und da noch Felder gegeben, von Leibeigenen oder Pächtern bestellt, vor deren Blicken Gilfalas sie mit seinem Zauber geschützt hatte. Doch die Brandrodungen, die einen Teil des nördlichen Waldes urbar gemacht hatten, hatten in dieser Zeit noch nicht eingesetzt. Hier und jetzt gab es überall nur Bäume, zwischen denen sich der gewundene Pfad entlangschlängelte.
    Aldo hatte das Gefühl, als könnte hinter jedem Baum und Strauch ein Feind lauern, und selbst das Huschen eines Eichhörnchens in den Zweigen und das Rascheln einer Waldmaus im Unterholz ließ ihn aufschrecken. Burin schien es ähnlich zu ergehen; obwohl er die Dämmerung aus den Hallen seiner Heimat unter dem Berg gewohnt war, machte ihm das unstete, flirrende Licht, das durch das

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