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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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und überhaupt das einzig Farbige in dieser grauen Welt war sein karottenrotes Haar, das zwischen den spitzen Ohren hervorstach.
    »Aldo!«, wollte der Beobachter rufen, aber er brachte keinen Laut hervor. Es gab überhaupt keinen Laut in dieser grauen Welt, nicht einmal das Pfeifen von Wind um die Felsen.
    Da sah er noch etwas. Durch eine Schlucht getrennt, blickte ein graues Tier herüber. Es war ein Esel. Er war abgemagert, als hätte er seit Tagen und Wochen nichts Richtiges mehr zu fressen bekommen, und sein Blick war ebenso missgelaunt wie verloren.
    Der Blick ging die tiefe Schlucht entlang. In der Ferne, halb verhüllt im Nebel, erkannte er eine mächtige steinerne Brücke, welche den Abgrund querte …
    »Dort ist der Weg!«
    »Dort ist der Weg!«
    »Kim!« Fabian schüttelte ihn. »Kim, wach auf! Du träumst …«
    Kim schreckte auf. Es war früher Morgen. Die Sonne hing noch hinter den Gebirgszacken im Osten. Es war kühl, und auf den spärlichen Gräsern und Kräutern, die hier in den Ausläufern des Gebirges wuchsen, lag Tau.
    Ringsum lagerten die Menschen in Gruppen. Die Frauen und Kinder hatten sich im Schutz des Wagens zusammengekauert, den sie als einzigen aus dem Tross mitgenommen hatten. Die anderen Wagen hätten sie zu sehr behindert, darum hatte man sie von der Brücke in die Schlucht gestürzt, wo der schäumende Fluss ihre Trümmer hinweggetragen hatte. Die Männer standen teilweise auf Wache, zum Teil hatten sie sich, in Decken und Mäntel gehüllt, um das erkaltende Feuer gelegt. Die Bolgs saßen abseits, eine kleine Gruppe für sich.
    Kims Blick ging nach Norden. In der Ferne, von der aufgehenden Sonne blutrot angeleuchtet, erhoben sich die Mauern der dunklen Feste, von dieser Höhe aus immer noch wahrzunehmen, selbst über viele Meilen hin. Ein Schatten schien darüber zu brüten, immer gleich, bei Nacht und bei Tage und selbst jetzt, wo die Morgensonne die Nebel vertrieb. Im Westen erstreckte sich die Versorgungsstraße, die zur Küste hin und dann südwärts ins Land der Menschen führte. Nur wenig war davon zu erkennen; hier und da blinkten die Gebäude einer Wegstation. Nirgendwo gab es ein Zeichen von irgendwelcher zielgerichteter Aktivität.
    Sie hatten Glück gehabt, dass ihnen keiner gefolgt war. Anscheinend hatte noch niemand den Sklavenzug vermisst. Es war, als sei die Aufmerksamkeit des Schattenfürsten in seiner dunklen Feste fern im Norden auf etwas anderes gerichtet als auf die unmittelbare Umgebung.
    Hier, im äußersten Südwesten des bergumschlossenen Landes, fernab der Straßen, schienen sie fürs Erste sicher zu sein.
    »Du hast den Weg gefunden?«, fragte Fabian.
    »Was?« Kim schreckte auf.
    »Du hast im Schlaf geredet. Du hast gerufen: ›Dort ist der Weg!‹«
    »Oh.« Kim kam es etwas albern vor, Fabian jetzt von seinem Traum mit Aldo und dem Esel im Nebel erzählen zu müssen. Stattdessen ließ er seinen Blick gen Süden schweifen, hinauf zu den Bergen, die in der Morgensonne lagen. »Ich bin mir sicher«, meinte er dann, »dass es dort einen Weg gibt. Ich weiß genau, wie wir das letzte Mal, als wir ihn von Westen her zu erklimmen suchten, an eine Stelle kamen, wo der Weg wie abgebrochen in die Tiefe führte und dann in einem scharfen Knick südwärts, zum Joch hinauf. Erinnerst du dich nicht?«
    Fabian runzelte die Stirn. Wie immer, wenn Kim ihn an jene gemeinsame Vergangenheit erinnerte, die irgendwo in einer möglichen Zukunft lag, fühlte er sich unwohl. »Ich erinnere mich«, sagte er dann, »jetzt, wo du es sagst.«
    »Ich vermute«, fuhr Kim eifrig fort, »dass der Weg an dieser Stelle ursprünglich weiterging. Der Steig ist eine alte Zwergenstraße. Es muss eine direkte Verbindung nach Zarakthrôr gegeben haben, und zwar eine sehr alte. Und wenn wir uns weiter durch das Vorgebirge südwärts halten, müssen wir irgendwann darauf stoßen.«
    »Ich hoffe, dass du recht hast«, sagte Fabian.
    Das Lager erwachte zum Leben. Rasch war aus den kargen Vorräten ein Morgenmahl bereitet: hartes Soldatenbrot, in viereckigen Laiben gebacken, dazu Rationen aus getrockneten Nüssen und Früchten, heruntergespült mit Wasser aus einer nahen Quelle. Es gab auch Korn und andere Lebensmittel unter den Beständen: Kohlköpfe, bereits gelb geworden, und Wurzelgemüse, Zwiebeln und Bohnen, dazu Hartwürste und gesalzenen Speck, alles Dinge, die man für die Besatzung von Zarakthrôr mitgeführt hatte. Nach den Vorräten zu urteilen, brachte die Herrschaft der Dunkelelben zwar

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