Die Herren der Zeit
aussichtslosen Lage sangen sie trotzig ihr Lied:
»Stein um Stein
bricht Gebein,
Eisen singt,
Tod es bringt.
Stein zu Stein
wirst du sein,
treu dem Ruf,
der dich schuf.
Stein auf Stein
fügt sich ein.
Steh uns bei,
Meister treu!«
»Meister!«, riefen sie. »Meister!« Aus ihrem Rufen wurde ein rhythmischer Sprechgesang: »Meister, komm! Meister, komm!«
Aus der Tiefe der Höhle kam er herbei. Er trug eine schimmernde Rüstung aus feinstem Kettengewebe, in Silber getaucht und besetzt mit blitzenden Juwelen. In Schild und Hauberk waren Runen der Macht eingegraben: das Zeichen des Meisters und das Zeichen des Endes, doch seinen gehörnten Helm schmückte das Zeichen, das nur er zu tragen das Recht hatte: die Glyphe Fregorins, des Herrn von Zarakthrôr. In der Hand trug er einen mächtigen Kriegshammer, doch er brauchte diese Waffe nicht.
Denn das Licht, das ihm vorausging, war stärker als Stein und Eisen. Es war ein Licht, das von dem Ring ausstrahlte, den er an seiner Rechten trug, einem goldenen Ring mit einem Stein aus Amethyst, und vor diesem tödlichen Licht wichen die Schatten zurück.
Das Licht brannte. Es fraß an ihrer dunklen Substanz, ließ sie dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne. Nur dass dieser Schnee nicht weiß war wie der Firn auf den Gipfeln, sondern schwarz wie Ruß, eine Substanz von jenseits der Welt, der Schwärze gleich, die hinter den Sternen lauert.
Und der Schatten schrie.
Dies war kein Schmerz, wie der Schatten ihn je verspürt hatte.
Schmerz kannte er, gewiss, und Tod und Zerstörung, doch dieses Licht war wie eine Säure, welche die Grundlagen seiner Existenz in Frage stellte.
Dort, wohin das Licht traf, wurde Substanz zu Schatten, und kein Schatten kann im Licht bestehen. Dort, wo der Schatten verblasste, hörte Sagoth, das Wesen, das eins und doch viele war, auf zu sein.
Sagoth floh. Mit dem letzten Rest seines Bewusstseins, das ihm geblieben war, suchte er sein Heil in der Flucht. Zu dem einen Ort, wo er in Sicherheit gewesen war, dem Ort, an dem alle Wege enden.
In der Tiefe.
Die Zwerge sahen den Schatten weichen, und jubelten laut, als sie erkannten, wie sich der ungleiche Kampf zu ihren Gunsten wendete. Sie sprangen herab von dem Gesims, den Hang hinunter, und folgten den Schatten, die sich nun hierhin und dorthin wanden, auf der Suche nach einem Weg in die Tiefe. Hinter den Verfolgern polterte der Rest des Steges hinab. Doch sie achteten nicht darauf; ein Fieber hatte sie gepackt, dem unbezwingbaren Feind am Ende doch noch zu zeigen, wer hier der Meister war.
»Bleibt hier!«, dröhnte Herr Fregorins Stimme, doch die Zwerge hörten nicht darauf.
Auf dem Grunde des Stollens hatte das Wirken der Schatten neue Hohlräume aufgetan, die in Bereiche führten, welche den Zwergen vorher nicht zugänglich gewesen waren. Bald waren die Verfolger völlig verloren, doch sie folgten immer noch den Schatten. Bis sie plötzlich in eine Höhle gelangten und den Weg von bleichen, geisterhaften Gestalten versperrt fanden.
»Beiseite!«, schrie einer der Zwerge, doch seine Kameraden machten sich erst gar nicht die Mühe. Mit Hieben nach rechts und links räumten sie die lästigen Hindernisse beiseite. Blut floss; und selbst der Lebenssaft dieser bleichen Kreaturen war rot wie das Blut, das in den Adern von Zwergen, Menschen und Elben rann.
Und da trafen sie plötzlich auf Widerstand. Klingen blitzten auf, aus Silber und Kristall. Es waren Dolche, die nicht zum Kampf gedacht waren, geführt von Geschöpfen, die niemals gekämpft hatten. Die Zwerge wurden ihrer mit Leichtigkeit Herr. Doch wo einer der Bleichen fiel, traten zwei an seine Stelle. Es waren einfach zu viele.
»Zurück!«, erklang Herr Fregorins Stimme von hinten.
Die Zwerge formierten sich zum geordneten Rückzug. Kämpfend, Schritt für Schritt, zogen sie sich zurück. Die Gegner setzten ihnen nach, mit Klauen und Zähnen, mit Steinen und Splittern und erbeuteten Waffen. Keiner von den Zwergen ließ seine Kameraden im Stich; das wäre wider ihre Natur gewesen. Gemeinsam waren sie stark. Doch wieder und wieder traf es einen aus ihren Reihen, und so schmolz ihre Schar dahin wie zuvor die Armee der Schatten unter dem magischen Licht.
Und dann kamen sie. Sie kamen völlig lautlos, als ginge sie der ganze Aufruhr gar nichts an. Hochgewachsen, stumm, traten sie aus der Düsternis herbei. Sie trugen keine Waffen; sie brauchten keine. Augenlos, gesichtslos, war ihre einzige Waffe die geballte Kraft ihrer Geister. Sie rollte
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