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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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waren voller Tränen. »Ich habe dich geliebt, seit ich dich zum ersten Mal sah. Aber ich habe nie zu hoffen gewagt, dass du … Du bist so schön, und ich …«
    Sie legte ihm die Hand auf den Mund. »Sei still«, sprach sie sanft. »Ich sage, dass du schön bist, Gwrgi Niemandssohn, Ringträger, Meister der Tiefe. Alles Äußere ist nur Schein. Nur die Seele zählt …«
    Und Kim, der als schweigender Zeuge daneben stand und sah, wie sie einander in die Augen blickten, das hässlichste und das schönste aller Geschöpfe der Mittelreiche, wunderte sich über die seltsamen Wege, die das Schicksal manchmal bereitet.
    Und damit geht unsere Geschichte langsam, aber unaufhaltsam ihrem Ende entgegen, obwohl es noch manches zu berichten gibt. Kimberon Veit blieb seinem Vorsatz treu und verließ das Elderland nicht mehr, nicht einmal, als der König ihn ein zweites Mal nach Magna Aureolis einlud, um seine Hochzeit mit einer Prinzessin aus den Südprovinzen zu feiern. Er sagte sich, dass es besser für ihn und für alle anderen sei, wenn das Ffolk für sich bliebe, um langsam dem Vergessen anheim zu fallen, bis es eines Tages nur noch eine Legende sei, eine Fußnote in den großen Chroniken der Welt.
    Das heißt, eine Ausnahme von dieser Abstinenz machte er wohl, zumindest soweit die Chronisten berichten. Etwa drei Jahre nach jener denkwürdigen Begegnung im Hause des Kustos, im Sommer des Jahres 781 nach der Zeitrechnung des Ffolks, brach er, allein, mit einem geliehenen Pony und Wagen, auf nach Süden.
    Die Fahrt war ereignislos, wenngleich, als er die Sümpfe passierte, ein für die Jahreszeit ungewohnter Nebel herrschte. Er gelangte ohne besondere Vorkommnisse an das Fort der zwanzigsten Legion, das nach dem Krieg gegen die Dunkelelben dort errichtet worden war, um die Straße zu sichern, und ein gelangweilter Centurio gab ihm Anweisungen, wie er sich zu verhalten habe. Kim bedankte sich artig dafür, obwohl er ganz genau wusste, was er zu tun hatte. Schließlich war er nicht das erste Mal hier.
    Die kleine Stadt Allathurion war unverändert, ganz genau so, wie er sie in Erinnerung hatte. Aber was hätte sich in den vier Jahren, seit er von hier fortgegangen war, auch verändern sollen? Die Häuser waren noch genauso windschief wie früher; die Kneipen standen noch alle an denselben Stellen; die Studenten, auch wenn die Gesichter gewechselt hatten, tranken noch genau so wie zuvor, wenngleich sie etwas weniger zu vertragen schienen als in den alten Zeiten. Auch das Historische Seminar lag noch am selben Platz, mit seinem uralten, immer wieder neu übermalten Schild neben der Tür, welches verkündete, dass die Worte vergehen, die Taten aber bleiben.
    Nur der Direktor des Seminars war ein anderer. Der gütige alte Magister Gandalphus war vor zwei Jahren friedlich im Bett gestorben, und der Magistrat hatte einen Nachfolger bestimmt. Magister Quasinus Thrax war ein kleiner Mann mit stechendem Blick, und man flüsterte hinter vorgehaltener Hand, dass einer seiner Vorfahren ein berüchtigter Ketzer gewesen sei, dessen Schriften die Bibliothek seit vielen Jahren unter Verschluss halte, damit kein frommer Scholar durch sie in Versuchung geführt werde. So erzählte man zumindest Kim im Wirtshaus zum Schwarzen Walfisch nach dem dritten Humpen Bier.
    Als er das Auditorium Maximum betrat, um sich seiner großen Herausforderung zu stellen, war Kim stocknüchtern.
    Der Anblick allein hätte schon dazu ausgereicht. Der Hohe Konvent der Professores, Magistri allesamt, in ihrer Mitte der Rektor Magnificus, saß auf seinem angestammten Gestühl im Präsidium. Sie waren prächtig angetan mit samtenen Roben, hohen Baretten und goldenen Zeptern, die das Zeichen ihres Amtes waren. An einem Lesepult, das mit geschnitztem Faltwerk besetzt war, hatte Magister Quasinus Aufstellung genommen. Er hatte die Rolle des Adversarius inne, dessen Aufgabe es war, die Thesen, welche der Kandidat eingereicht hatte, nach den ehernen Gesetzen der Wissenschaft zu widerlegen. Aufgrund seiner kleinen Statur ragte sein Kopf, obgleich er stand, kaum über das hohe Lesepult hinaus, und er musste das Kinn recken, um überhaupt etwas sehen zu können außer der in Leder gebundenen Dissertation, die aufgeschlagen vor ihm lag.
    Kim kam sich vor wie ein Angeklagter, als er in die Schranken trat, die ihm zugewiesen worden waren. Er war in die braune Robe des Baccalaureus gekleidet, Zeichen des untersten Grades der Gelehrsamkeit, mit einem schmucklosen Barett gleicher

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