Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
die Hälfte – auf ihre Kredite so hohe Verluste erlitten hatten, dass sie ebenso wie die BUS insolvent waren. Entschlossen Bagehots Regel zu befolgen, nur »gesunden« Instituten Geld zu leihen und in dem Glauben, das Aufpäppeln scheiternder Banken bedeute, schlechtem Geld gutes hinterher zu werfen, machten es sich die regionalen Gouverneure zum Prinzip, sie untergehen zu lassen. Sie erkannten nicht, dass sie damit das allgemeine Vertrauen der Menschen in die Banken als Aufbewahrungsort für ihre Ersparnisse untergruben und das Einfrieren des amerikanischen Kreditsystems verursachten.
Im ersten Quartal 1931, als sich das weltweite Bankensystem einerseits mit dem Horten von Geld durch eine beunruhigte amerikanische Öffentlichkeit und andererseits mit der Anhäufung von Gold in der Fed und in der Banque de France auseinandersetzen musste, erlebte die Wirtschaft seltsamerweise eine ihrer kurzen Erholungsphasen, sowohl in den USA als auch in ganz Europa. Wenn man sich das Bankensystem, wie es oft getan wird, als Wasserleitung der Weltwirtschaft vorstellen kann, dann wirkte sich der doppelte Bargeldentzug wie zwei unsichtbare Lecks aus. Ihre Auswirkungen waren nicht unmittelbar und wurden erst später allmählich sichtbar.
Nach seiner Rückkehr aus den USA im Frühling 1931 schrieb Norman seinen berüchtigten Brief an Moret, in dem er den Zusammenbruch »des kapitalistischen Systems auf der ganzen Welt« innerhalb eines Jahres an die Wand malte und darum bat, seine Prognose »zur späteren Verwendung aufzubewahren.« Er spürte, dass die Kreditversorgung der Welt auszutrocknen begann. Aber er und die anderen Zentralbankiers hatten sich nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen können. Norman stellte fest, dass er zunehmend an Einfluss und Handlungsmacht verlor. Der Brief, ein schwacher Ersatz für entschlossenes Handeln, wurde in der Banque de France zweifellos als soundsovielte Vorhersage des alten Norman abgetan, die westliche Zivilisation stehe vor ihrem Ende.
19. Eine tickende Zeitbombe auf dem Deck der Welt
1931
Geld kennt keine Heimat; Finanziers sind ohne Patriotismus
und ohne Anstand; ihr einziges Ziel ist der Gewinn.
Napoleon Bonaparte
Im Frühjahr 1931 war Deutschland dasjenige der bedeutenden Länder, das durch das Gefühl kollektiver Verzweiflung und individueller Hoffnungslosigkeit am stärksten niedergedrückt wurde. Die offiziellen Zahlen besagten, dass 4,7 Millionen Menschen, 25 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung und doppelt so viele wie in den USA ohne Arbeit waren. Und das schloss nicht einmal die weiteren zwei Millionen ein, die zu Teilzeitarbeit gezwungen waren. Die Zahl der Pfandleihhäuser vervielfachte sich, ebenso wie die der Astrologen, Zahlenmystiker und anderer Scharlatane. Noch bevor sich die »Hoovervilles« genannten provisorischen Siedlungen in den Städten Amerikas ausbreiteten, waren in den Parks und Wäldern rund um Berlin aus Zelten und Kisten bestehende Slums entstanden. Diese Elendsviertel hatten bald ihre eigenen »Bürgermeister«, »Gemeinderäte« und Volksküchen, wo die Frauen Steckrübengemüse kochten – ein Beweis für das deutsche Organisationstalent.
Aber damals befand sich Deutschland, belastet durch das zweifache Problem der Auslandsschulden und der Reparationen, schon seit Mitte 1929 ständig in einem Zustand fieberhaften Aufruhrs. Kaum war der Young-Plan im Juli dieses Jahres in Paris unterzeichnet worden, da lief die Kampagne zu seiner Zurückweisung schon auf vollen Touren. Ein nationales Komitee unter Führung Dr. Alfred Hugenbergs, Vorsitzender der rechten Deutschnationalen Volkspartei – der drittgrößten im Reichtag, wo sie 73 von 491 Sitzen hatte – wurde gebildet, um eine Volksabstimmung über den Plan zu organisieren. Bekannt als der deutsche Randolph Hearst hatte Hugenberg, früher Chef des berühmten Waffenfabrikanten Krupp, nach dem Krieg die Branche gewechselt und kontrollierte nun einige der größten Tageszeitungen des Landes, darunter Der Tag , sowie die größte Filmproduktionsfirma und die größte unabhängige Fernmeldeagentur.
Norman und Schacht, 1935
Unter Hugenbergs Gefolgsleuten war Adolf Hitler, den man damals noch für eine Art Witzfigur hielt, ein unbedeutender Mann aus einer rechtsradikalen Partei und mit einer peinlichen Vergangenheit als Anführer des »Bierkellerputschs« von 1923. Bei den Reichswahlen im Vorjahr hatten die Nazis lediglich 2,6 Prozent der Stimmen erhalten und nur zwölf Sitze
Weitere Kostenlose Bücher