Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
errungen. Sie fügten der Kampagne für einen Volksentscheid allerdings ihr eigenes, ganz spezielles Gift hinzu. Sie argumentierten, der Young-Plan würde Deutschland »drei Generationen Zwangsarbeit« unterwerfen, nannten ihn ein »jüdisches Machwerk« und »ein Produkt jüdischen Geistes.« Das Referendum, das die Regierung gezwungen hätte, neue Verhandlungen über die verhasste Kriegsschuldklausel aufzunehmen, alle Reparationszahlungen einzustellen und es für jeden Regierungsvertreter unter Strafe zu stellen, einer weiteren Einigung zuzustimmen, erhielt 4 135 000 Stimmen – ein Zeichen für die wachsende Unzufriedenheit des Volkes mit der sogenannten »Erfüllungspolitik«.
Niemand konnte sich besser – wie eine Wetterfahne – nach den sich drehenden politischen Winden ausrichten als Hjalmar Schacht. Die Verhandlungen über den Young-Plan hatten ihn enttäuscht und verbittert zurückgelassen. In den späten 1920er-Jahren hatten er und sein alter Mentor Gustav Stresemann Deutschland ermöglicht, sich von amerikanischen Banken in der Hoffnung riesige Geldsummen zu leihen, dass sich Amerika in die Reparationsfragen einmischen werde. Ihre Strategie, die deutsche Republik an amerikanisches Geld zu binden, war allerdings nicht aufgegangen. Nach Schachts Ansicht hatten die amerikanischen Bankiers versagt. Er und Stresemann hatten die Macht und den Einfluss der Wall Street deutlich überschätzt, eine Lösung des Reparationsproblems herbeizuführen.
Im Oktober 1929, drei Wochen vor dem Crash an der Wall Street, starb Stresemann mit nur 51 Jahren plötzlich an einem Schlaganfall – ein Opfer von Stress und Überarbeitung. Nach der bitteren Enttäuschung über die Verhandlungen zum Young-Plan und Stresemanns Tod verlor Schacht jeden noch verbliebenen Glauben an die amerikanische Lösung.
Er befand sich nun in einer schwierigen Situation. Von den Amerikanern enttäuscht war er jetzt eher dazu bereit, nach Alternativen zu suchen, einschließlich der einseitigen Ablehnung, die von der nationalistischen Rechten propagiert wurde. Aber es fiel ihm schwer, den Young-Plan in diesem Stadium zu verwerfen – das Dokument trug schließlich seine Unterschrift –, ohne wie ein schamloser Opportunist auszusehen.
Während in Den Haag verhandelt wurde, stimmte die deutsche Regierung bescheidenen Veränderungen der Bestimmungen des Young-Plans zu. Im Gegenzug erklärten sich die Alliierten dazu bereit, den Zeitpunkt für den Rückzug ihrer noch im Rheinland stationierten Truppen vorzuverlegen und erreichten eine Einigung über den Status der Menschen in dem Teil Ostpreußens, der früher zu Deutschland gehört hatte, in Versailles aber Polen zugesprochen worden war. Der Effekt all dieser Modifikationen war eine Erhöhung der Zahlungen im Rahmen des Young-Plans um vier bis fünf Prozent oder etwa 25 Millionen Dollar jährlich. Die wirtschaftliche Bedeutung war unerheblich – dennoch lieferte sie Schacht genau die Rechtfertigung, die er für den Bruch mit der Regierung benötigte.
Als die Arbeitslosenzahlen in Deutschland weiter stiegen, wuchsen zudem auch die Kosten für die Unterstützung der Arbeitslosen und folglich das Haushaltsdefizit. Die Regierung, eine große Koalition aller demokratischen Parteien unter Führung des Sozialdemokraten Hermann Müller, schlug eine Finanzierung durch höhere Verschuldung im Ausland vor. Für Schacht, der schon seit 1927 einen Feldzug gegen exzessive Auslandsschulden führte, war dies ein weiteres Zeichen, dass eine Koalition, der Sozialisten angehörten, nicht in der Lage war, Deutschland zu regieren. Nachdem sie es in guten Zeiten versäumt hatte, weder ihre Ausgaben noch die Kreditaufnahme im Ausland unter Kontrolle zu bringen, wiederholte sie diesen Fehler nun, da die Zeiten schlecht wurden. Ohne Vorwarnung gab er eine öffentliche Stellungnahme heraus, in der er die Regierung mit flammenden Worten beschuldigte, den Young-Plan zu »verdrehen« und nicht die nötigen Schritte einzuleiten, ihre eigenen Finanzen unter Kontrolle zu bringen. Er erklärte, für das deutsche Volk sei es eine »Selbsttäuschung« zu glauben, die Nation könne auch nur einen Pfennig mehr zahlen als in Paris vereinbart und lehnte die jüngsten Veränderungen des Plans öffentlich ab. Einige Wochen später sabotierte er den Versuch der Regierung, bei der amerikanischen Investmentbank Dillon Read in New York einen Kredit aufzunehmen.
Eine solche offene Kriegserklärung an die Regierung durch den Chef der
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