Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Zentralbank mitten in einer Wirtschaftskrise drohte das Land ins Chaos zu stürzen. Die Regierung war kaum in der Lage, finanziell zu überleben, und wenn, dann nur indem man den Kredit des großzügigen Ivar Kreuger anzapfte.
Die folgenden Wochen waren für Schacht eine Zeit von schrecklichem Stress. Während er die endgültige Schwere der bevorstehenden Depression noch nicht vorherzusehen vermochte, konnte er jedoch absehen, dass Deutschland nach dem Crash an der Wall Street vor einer Katastrophe stand und wollte nicht in dem kommenden Desaster untergehen. Wenn er aber jetzt zurückträte, dann gäbe er die wirtschaftlich mächtigste Position in Deutschland auf und marschierte ins politische Niemandsland, aus dem es offenbar keinen Weg zurück gab. Mit der politischen Rechten hatte er es sich schon verscherzt, als er den Young-Plan unterzeichnete, und nun zerstritt er sich mit der Linken und der Mitte, weil er die Finanzpolitik der Koalition attackierte.
Die Spannung, alle diese widersprüchlichen Erwägungen unter einen Hut bringen zu müssen, von denen einige opportunistisch waren, während er von anderen tief überzeugt war, machte sich bemerkbar. Manchmal schien er kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Ein ausländischer Bankier, der ihn im Januar 1930 traf, beschrieb Schachts Paranoia, als er darüber schwadronierte, »er werde von einer Bande korrupter Politiker ans Kreuz geschlagen«. Sein alter Freund Parker Gilbert, den dieses wechselhafte Verhalten immer stärker irritierte, konnte nur sagen, er glaube, Schacht sei »verrückt« geworden.
Zum letzten und dramatischsten Ereignis kam es bei einer internationalen Regierungskonferenz über den Young-Plan in Den Haag, die Anfang Januar begann. Erschüttert durch die Demagogie der nationalistischen Rechten in Deutschland und Schachts Ablehnung des Plans, brachten die Franzosen noch einmal das Thema zur Sprache, was geschehen solle, falls Deutschland die Zahlungen einstellte. Sie schlugen eine neue Klausel vor, die besagte, dass, sollte Deutschland vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag für schuldig befunden werden, seine Verpflichtungen absichtlich nicht zu erfüllen, den Gläubigermächten »volle Handlungsfreiheit« eingeräumt werde, wie der Vertrag von Versailles es vorsah. Dieser Vorschlag weckte Erinnerungen an die Besetzung des Ruhrgebiets von 1923, als französische Soldaten wieder in Deutschland einmarschierten.
Schacht hatte der Regierung versprochen, er werde, obwohl er mit ihr gebrochen hatte, nichts tun, was Deutschland vor einem internationalen Forum in Verlegenheit bringen würde. Wieder einmal wurde er von seiner Impulsivität überwältigt. Die neue Sanktionsklausel war für Deutschland ein Schlag ins Gesicht und eine radikale Veränderung des »Geistes« des Young-Plans. Obwohl die Reichsbank nicht verhindern konnte, dass der revidierte Plan wirksam wurde, verkündete Schacht, um seinen Protest »aus den höchsten moralischen Gründen« deutlich zu machen, er werde sich weigern, der Bank für internationalen Zahlungsausgleich auch nur einen Pfennig zur Verfügung zu stellen und erklärte melodramatisch, er werde »bis zu seinem Tod bei dieser Haltung bleiben.«
Die vom neuen Außenminister Julius Curtius angeführte deutsche Delegation war wütend. Bei einem stürmischen Treffen hinter verschlossenen Türen wurde Schacht beschuldigt, zur »Meuterei im Angesicht des Feindes« aufzuhetzen, bei einem Thema ohne wirkliche Bedeutung Selbstdarstellung zu betreiben und das Thema für einen politischen Schachzug zu nutzen, um seine Glaubwürdigkeit bei der politischen Rechten wiederherzustellen. In Berlin kursierte das Gerücht, Schacht denke darüber nach, für das Amt des Reichspräsidenten zu kandidieren, wenn sich von Hindenburg, der fast 85 Jahre alt war, Anfang 1932 zurückziehen werde. Es war, schrieb die Londoner Times, ein Exempel der Art von »extravaganten politischen Aktionen, die man von ihm erwartet.« Die linkslastige Zeitung Die Welt beschuldigte ihn, »nicht nur das Oberhaupt eines Staats im Staat, sondern eines Staats über dem Staat« zu sein.
Am nächsten Tag aber sah er sich ausmanövriert, weil die deutsche Delegation die Nerven behielt und vorschlug, wenn die Reichsbank ihre Unterschrift verweigere, werde die Regierung ein Konsortium anderer deutscher Banken finden, die das Kapital zur Verfügung stellen würden. Schachts Neigung, sein Blatt zu überreizen, fiel nun schmerzlich auf ihn zurück. Er handelte eine
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