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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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aushungern.« Mit anderen Worten, eine Zentralbank musste dazu bereit sein, so viel Geld wie nötig ins System zu injizieren, um das Bedürfnis des Publikums nach Bargeld und sicheren Anlagen zu befriedigen.
    Aber Bagehot machte eine Ausnahme. Obwohl er argumentierte, die Zentralbank solle in einer Panik Kredite vergeben ohne zu zögern oder Fragen zu stellen, sollte sie dies doch nur bei Banken mit vorübergehenden Liquiditätsengpässen tun und niemals bei solchen, die tatsächlich insolvent waren. Das aktuelle Problem lautete, dass die BUS eben nicht nur kurzfristig Liquiditätsprobleme hatte. Sie war zahlungsunfähig und konnte nicht hoffen, ihre Verpflichtungen erfüllen zu können.
    Bei der Entscheidung gegen die Rettung der Bank of United States gab es noch einen weiteren Faktor, der allerdings unausgesprochen blieb. Marcus war Jude, und zudem ein Jude von der falschen Sorte. Es hatte schon immer eine Trennung zwischen den Bankhäusern der weißen Amerikaner angelsächsischer Herkunft und den jüdischen Banken in der Wall Street gegeben. Aber Firmen wie Kuhn Loeb, Lehman Brothers und J. W. Seligman gehörten »zu uns«; es handelte sich um die deutsch-jüdische Elite, und trotz aller antisemitischen Bigotterien von Dinosauriern wie Jack Morgan waren diese Firmen sehr angesehen und galten als geachtete, überaus renommierte Institutionen. Allerdings wäre es den am Abend des 10. Dezember versammelten Patriziern der Wall Street sehr schwergefallen, ihre Abneigung dagegen zu verbergen, einem Juden wie Marcus aus der Patsche zu helfen – einem ehemaligen Textilfabrikanten aus der Lower East Side, der eine Bank leitete, deren Stammkunden, wie Thomas Lamonts Sohn Tommy es ausdrückte, größtenteils »Ausländer und Juden« waren. Russell Leffingwell, der Partner bei Morgan, sagte, die Bank habe »viele Kunden aus der jüdischen Bevölkerung kleiner Kaufleute, Personen mit geringen Mitteln und geringer Bildung, die auch das gesamte Management stellen.«
    Als Joseph Broderick, der Leiter der staatlichen New Yorker Bankenaufsicht, von der Entscheidung erfuhr, bestand er darauf, zu dem Treffen zu kommen. Nachdem man ihn bewusst bis 1.00 Uhr morgens hatte warten lassen, wurde er endlich hereingebeten. Später sagte er aus: »Ich sagte ihnen, die Bank of United States nehme in New York City eine recht einzigartige Stellung ein; hinsichtlich der Kundenzahl sei sie die größte Bank in der City, und ihre Schließung werde sich auf viele kleinere Banken auswirken. Ich drückte meine Besorgnis aus, dies könne der Funke sein, der die ganze City in Brand setzen wird.« Broderick erinnerte die Bankchefs daran, dass sie erst zwei Wochen zuvor »zwei der größten Banken in der City gerettet hatten.« Eine davon war Kidder Peabody, eine Bank unter der Leitung von Brahmanen aus Boston, 1865 gegründet, die infolge des Crashs und der folgenden Abzüge von Kapital, unter anderem durch die Regierung von Italien, 1930 mit 15 Millionen Dollar von J. P. Morgan und Chase gerettet werden musste.
    Obwohl das Treffen noch bis in die frühen Morgenstunden dauerte, konnte er die wenigen Widerspenstigen nicht überzeugen, ihre Meinung zu ändern. Die Fed glaubte, sie könne einen Rettungszaun rund um die BUS errichten, auf diese Weise so verhindern, dass sich deren Probleme ausbreiteten, und beschloss, die Bank am nächsten Morgen zu schließen. »Ich warnte sie, dass sie gerade den kolossalsten Fehler in der Bankengeschichte New Yorks begingen«, sollte Broderick später bei einer Gerichtsverhandlung aussagen. Man stellte Marcus und einen seiner Stellvertreter vor Gericht und verurteilte sie zu drei Jahren Haft. Broderick wurde separat wegen Pflichtvernachlässigung im Amt angeklagt, weil er die Bank nicht schon früher geschlossen hatte. Der Fall wurde wegen Verfahrensfehlern eingestellt. In einem zweiten Prozess wurde Broderick freigesprochen.
    So dramatisch sie auch ausfiel, war die Pleite der Bank of United States doch gar nicht so ungewöhnlich. Die Vereinigten Staaten hatten schon immer an einem instabilen Bankensystem gelitten – die Folge des Fehlens einer Zentralbank, verschlimmert durch eine erstaunlich zersplitterte Bankenstruktur. Die Gründung der Fed 1913 hatte das erste Problem mehr oder weniger gelöst, führte aber nicht zu einer Änderung der Organisation des Bankwesens im Land. In den 1920er-Jahren gab es in den USA immer noch etwa 25 000 Banken. Viele von ihnen waren so klein, undiversifiziert und abhängig von der

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