Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Formel aus, die es ihm erlaubte, sein Gesicht zu wahren: Die Regierung würde ein Gesetz erlassen, das die Reichsbank zur Unterzeichnung verpflichtete. So konnte er erklären, obwohl er den Young-Plan noch immer für eine »unmoralische Vereinbarung« halte, sei er als guter Bürger aber dazu verpflichtet, das »deutsche Recht« zu befolgen »oder auszuwandern.« Dennoch hatte ihn sein theatralisches Getue in Den Haag in eine unhaltbare Position gebracht. Zurück in Berlin erklärte er am 7. März seinen Rücktritt. »Ich werde mich auf mein Gut zurückziehen und Schweine züchten«, erklärte er bei einer turbulenten Pressekonferenz, wo er mehr als einmal die Fassung verlor, weil die Journalisten seine Motive für den Rücktritt ein wenig zu intensiv hinterfragten. Ein Korrespondent fragte verwundert: »Dr. Schacht, gibt es irgendeinen speziellen Grund für ihren Rücktritt?« »Mein Schritt hat nichts mit Politik zu tun«, erklärte Schacht aufgeregt. »Er ist nur ein moralischer Akt eines Mannes mit Selbstachtung.«
    Die Vossische Zeitung , die angesehenste Tageszeitung des Landes und das deutsche Äquivalent zu Times oder Le Monde , brachte das allgemeine Gefühl der Verwunderung in Berlin zum Ausdruck, als sie fragte: »Was ist der wirkliche Grund seines Rücktritts? Niemand weiß es.« Dennoch war Schacht wie immer auf seine eigenen Interessen bedacht und handelte eine attraktive Abfindung aus. Gegen eine einmalige Zahlung von 150 000 Dollar verzichtete er auf seine jährlichen Pensionsansprüche.
    Schacht legte sein Amt in dem Glauben nieder, die von den Sozialdemokraten dominierte Koalition werde Deutschland in eine finanzielle Katastrophe führen, beschleunigt durch das, was er für eine Auslandsschuldenkrise hielt, aus der es kein Entkommen gab. Noch immer sah er Deutschlands Probleme durch die Brille der 1920er-Jahre. Das zentrale Problem war für ihn, dass sich Deutschland in verschwenderischer Weise viel zu hohe Auslandsschulden aufgeladen hatte. Die Lösung bestand seines Erachtens darin, die Regierungsausgaben zu kürzen und Auslandskredite zu meiden. Seine Empfehlungen waren noch immer sehr orthodox und eher auf die Verhinderung einer Wechselkurskrise als auf das wachsende Problem der Arbeitslosigkeit zugeschnitten.
    Drei Wochen später spaltete sich die Regierung, mit der er gebrochen hatte, in der Arbeitslosenfrage und stürzte. Die Sozialdemokraten wollten eine Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung mit weiteren Auslandskrediten finanzieren, die Parteien der politischen Mitte wollten das Haushaltsdefizit verringern. Eine neue Mitte-Rechts-Koalition ohne die Sozialdemokraten übernahm die Regierungsgeschäfte und wurde von einem neuen Kanzler angeführt, von Heinrich Brüning, einem mürrischen Katholiken, früheren Offizier und überzeugten Monarchisten.
    Da er in einem zerstrittenen Parlament nichts durchsetzen konnte, musste Brüning mit Notverordnungen regieren, was Deutschland in eine autoritärere Richtung führte, weil man auf die in der Verfassung festgelegten Vorkehrungen für einen Notstand vertraute. Nachdem er im Reichstag unterlegen war, ließ er das Parlament durch von Hindenburg auflösen und zwei Jahre vor dem eigentlichen Termin Neuwahlen im September 1930 ausschreiben. Das Ergebnis war ein hässlicher Schock. In einem Wahlkampf, der sich auf die immer schlechter werdende wirtschaftliche Lage konzentrierte, wandte sich Hitler an alle sozialen Schichten, versprach die Nation wieder zu einen, ihren Wohlstand wiederherzustellen, ihre Stellung in der Welt wiederaufzubauen und die Profiteure aus dem Land zu jagen. Mit extremeren antijüdischen Aussagen hielt er sich zurück. Er sprach auf gigantischen Wahlversammlungen unter freiem Himmel, oft in von Reihen brennender Fackeln erleuchteten Sportstadien. Mit seiner Rhetorik hypnotisierte er die Zehntausende von Menschen, die an diesen Veranstaltungen teilnahmen. Derweil gab es auf den Straßen gewaltsame Zusammenstöße seiner mit Schaftstiefeln ausgerüsteten, mit Schlagstöcken und Schlagringen bewaffneten paramilitärischen Rüpel mit Kommunisten und Sozialisten. Die Nazis erhielten 6,4 Millionen Stimmen und wurden mit 107 Sitzen zweitstärkste Partei im Reichstag.
    Die Wahl löste an den Finanzmärkten Panik aus. Geschätzte 380 Millionen Dollar wurden abgezogen, etwa die Hälfte der deutschen Reserven. Um die Flucht zu stoppen, musste die Reichsbank ihre Zinsen erhöhen; während die Zinsen in New York und Paris bei zwei Prozent