Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
ihre Zweifel über Hoovers Idee und fragten immer wieder, warum die Regierung oder die Fed nicht handelten – war denn die Fed nicht zu dem Zweck gegründet worden, exakt solche Bankpaniken zu verhindern? Hoover kehrte nach Mitternacht ins Weiße Haus zurück, und er war »niedergeschlagener als je zuvor.« Am nächsten Tag erklärten sich die Bankiers auf Druck Harrisons zögerlich dazu bereit, es mit dem Plan zu versuchen. In den folgenden Wochen verlieh der Fonds insgesamt 100 Millionen Dollar, dann brach er zusammen, gelähmt durch die
extrem konservative Haltung seiner Eigentümer und die Angst, Geld zu verlieren. Die Tage des großartigen Pierpont Morgan, als große Banken die Verantwortung für die Stützung kleinerer Banken übernahmen und die Geschlossenheit des gesamten Finanzsystems verteidigten, waren längst vorbei.
Der Ansturm auf die Banken, die stärker werdende Hortung von Geld und nun dessen steigende Kosten erlegten den ohnehin schon fragilen USA eine plötzliche und massive Kreditklemme auf. Zwischen September 1931 und Juni 1932 schrumpfte die Gesamtsumme der Bankkredite im Land um 20 Prozent von 43 auf 36 Milliarden Dollar. Als Kredite gekündigt wurden, gerieten kleine Unternehmen in Zahlungsverzug. Die Gläubiger waren gezwungen, Verluste hinzunehmen und verloren so ihre eigene Kapitalausstattung; mit Recht hatten die Inhaber von Bankeinlagen Angst um die Sicherheit ihres Geldes, was zu weiteren Abhebungen und weiteren Pleiten führte. Obwohl sich die Anleger und die Bankiers individuell recht rational verhielten, um sich zu schützen, führten ihre Aktionen insgesamt in einer ohnehin schon belasteten amerikanischen Wirtschaft zu einer Spirale, die eine Kreditklemme und Kreditausfälle mit sich brachte.
»Wenn es in den 1930er-Jahren einen Zeitraum gab, der die Wirtschaftshistoriker quälend verfolgt«, schrieb der Ökonom J. Bradford DeLong, »dann handelt es sich dabei um den Frühling und den Sommer 1931 – denn damals wurde die schwerwiegende Depression, die im Sommer 1929 in den USA und im Herbst 1928 in Deutschland begonnen hatte, zur Großen Depression.« Die Erschütterungen im Währungs- und im Bankenbereich 1931 veränderten die Eigenschaften des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Als die Preise sanken und die Unternehmen nicht mehr dazu in der Lage waren, ihre Schulden zu bedienen, gab es immer mehr Pleiten, was wiederum die Ausgaben und die wirtschaftliche Aktivität dämpfte. Es kam zu einer zerstörerischen deflationären Stimmung. Da sie weitere Preisrückgänge befürchteten, schränkten die Verbraucher und die Unternehmen ihre Ausgaben ein, was die Abwärtsspirale bei Konsum und Investitionen verstärkte.
Jeder einzelne ökonomische Indikator schien im freien Fall – 1932 war das schlimmste Jahr der Depression in den USA. Zwischen September 1931 und Juni 1932 sank die Produktion um 25 Prozent. Die Investitionen fielen um niederschmetternde 50 Prozent, die Preise sanken um weitere zehn Prozent und erreichten 75 Prozent ihres Niveaus von 1929. Die Arbeitslosenzahlen schossen auf mehr als zehn Millionen in die Höhe – mehr als 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung waren nun ohne Job.
Die amerikanischen Unternehmen, die 1929 insgesamt fast zehn Milliarden Dollar Gewinn verzeichnet hatten, schrieben 1932 Verluste von drei Milliarden Dollar. Am 8. Juli 1932 erreichte der Dow Jones, der am 3. September 1929 bei 381 Punkten gestanden hatte und vor der europäischen Währungskrise im Bereich um 150 Punkte schwankte, ein Tief von 41 Punkten. Das war in den zweieinhalb Jahren seit dem Platzen der Blase ein Verlust von fast 90 Prozent. Die Aktie von General Motors, die im September 1929 bei 72 Dollar stand, kostete nun knapp über sieben Dollar. Und die Aktie von RCA, die 1929 einen Höchstkurs von 101 Dollar erreicht hatte, verzeichnete nun ein Tief von zwei Dollar. Als im August 1932 ein Reporter der Saturday Evening Post John Maynard Keynes fragte, ob es so etwas jemals gegeben habe, antwortete er: »Ja. Man nannte es das dunkle Zeitalter, und es dauerte 400 Jahre.«
1932 übernahm Meyer endlich die Initiative. Er hatte es während seines ersten Jahres im Amt – für ihn völlig untypisch – zugelassen, dass er von der Fed-Bürokratie gelähmt wurde. Im Januar überzeugte er die Administration davon, dass ihr Versuch gescheitert war, die großen Banken freiwillig die Verantwortung für die Stützung des Systems übernehmen zu lassen. Die Restruction Finance Corporation
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