Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
nicht mag.« »Es gibt nur wenige Engländer, die sich nicht darüber freuen, dass die goldenen Fesseln zerbrochen sind«, schrieb er in einem Artikel, der im Lauf dieser Woche erschien. »Wir haben das Gefühl, dass wir nun endlich freie Hand haben, das zu tun, was vernünftig ist. … Ich glaube, dass die großartigen Ereignisse der vergangenen Woche ein neues Kapitel in der monetären Geschichte der Welt aufgeschlagen haben.«
Allerdings wurde der Abschied der Briten vom Gold in Bankierskreisen, vor allem bei europäischen Bankiers, als äußerst unehrenhafter Schritt gesehen, als »tragischer Akt der Lossagung«, der »all denen heftige Verluste zufügte«, die den Worten der Bank of England »vertraut« hatten. Innerhalb weniger Tage war das Pfund an den Devisenmärkten um fast 25 Prozent von 4,86 auf 3,75 Dollar gefallen. Im Dezember stand es knapp unterhalb von 3,50 Dollar, was einen Wechselkursverlust von 30 Prozent bedeutete. In den nächsten Monaten folgten insgesamt 25 Länder dem Beispiel Großbritanniens und verabschiedeten sich vom Goldstandard. Dabei handelte es sich nicht nur um die Nationen des britischen Empires und die ihm verbundenen Länder wie Kanada, Indien, Malaya, Palästina und Ägypten, sondern auch um die skandinavischen Länder – Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland – und schließlich um die europäischen Nationen mit engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Großbritannien: Irland, Österreich und Portugal.
Der durchschnittliche Engländer las zwar in den Zeitungen, dies sei das Ende einer Ära, aber nach ein paar Tagen verblüffter Konfusion war es so, als sei überhaupt nichts geschehen. Es gab keinen Ansturm auf die Banken, keinen Mangel an Nahrungsmitteln, keinen Sturm auf die Läden und kein Horten von Gütern. Während die Großhandelspreise im Rest der Welt weiter sanken – um zehn Prozent im folgenden Jahr –, kam es in Großbritannien tatsächlich zu einem Ende der Deflation. Im Jahr darauf stiegen die Preise um bescheidene zwei Prozent.
Die einzige Gruppe, die einen großen Schock verkraften musste, waren die Briten, die auf Reisen im Ausland waren. Das Magazin Time schilderte, wie sich ein Mann, der die Krawatte der Eton-Absolventen trug, darüber aufregte, dass man ihm in New York nur drei Dollar je Pfund anbot. Er nannte das einen »Raubüberfall«, und dann stürmte er davon, wobei er murmelte: »In England ist ein Pfund immer noch ein Pfund. Ich werde mein Geld mit nach Hause nehmen.«
Die gegenseitigen Beschuldigungen begannen fast unverzüglich. In einer Rede vor dem Unterhaus am 20. September beschuldigte Snowden die USA und Frankreich, mit ihrer Goldpolitik das Debakel verursacht zu haben. Obwohl auch die Amerikaner ihren Teil abbekamen, war der größte Teil der Schmähungen für die Franzosen reserviert. In einem Willkommensbrief an Norman nach seiner Rückkehr aus Kanada erfasste Margot Asquith die vorherrschende Stimmung im Land, als sie schrieb: »Frankreich wird für seine selbstsüchtige Kurzsichtigkeit bitter bestraft werden. Das Land war der Fluch Europas …« Ironischerweise war ausgerechnet die Banque de France diejenige Institution, für die sich die Abwertung katastrophal auswirkte. Über Jahre gab es das Gerücht, französische Sterling-Verkäufe hätten das Debakel ausgelöst. In Wirklichkeit aber hatte die Banque de France an jedem Penny ihrer Sterling-Reserven im Volumen von 350 Millionen Dollar festgehalten. Sie war in der Krise eine derartige Unterstützung gewesen, dass Clément Moreau später zum Ehrenkommandeur des Ordens des britischen Empires ernannt wurde. Die Banque de France verlor schließlich fast 125 Millionen Dollar, das Siebenfache ihres Eigenkapitals. Eine normale Bank hätte das niemals verkraftet.
Andere Zentralbanken, vor allem die schwedische, die niederländische und die belgische, die sich in den 1920er-Jahren davon hatten überzeugen lassen, einen Teil ihrer Reserven in Sterling zu halten, verloren enorme Summen. Die niederländische Zentralbank verlor ihr gesamtes Kapital. Die Verbitterung darüber saß besonders tief, weil sich ihr Präsident nur wenige Tage vor der Abwertung erkundigt hatte, ob die Einlagen sicher seien. Man hatte ihn dahingehend beruhigt. Er hatte wohl vergessen, dass nur naive Menschen einen Zentralbankier nach dem Wert seiner Währung fragen und eine ehrliche Antwort darauf erwarten. Norman waren die Verluste, die die anderen Zentralbanken erlitten hatten, derart peinlich, dass er darüber
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