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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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nicht dreizehn.
    «Die Frauen bleiben beim Brunnen», erklärte mir Steapa.
    «Bist du sicher?»
    «Sie bleiben beim Brunnen», knurrte er. Ich hatte Steapa gesagt, er solle mit den Frauen reden, und bestimmt hatte schon seine
     Körpergröße ausgereicht, um sie von jeglichen Plänen abzubringen, in denen Warnrufe eine Rolle spielten.
    «Und Gisela?»
    «Sie bleibt auch beim Brunnen.»
    So also drangen wir nach Dunholm ein. Wir befanden uns in einer düsteren Ecke der Festung, in der sich neben |413| einem langen, niedrigen Gebäude zwei große Misthaufen erhoben. «Ställe», erklärte mir Sihtric flüsternd, obwohl weit und breit
     niemand zu sehen war, der uns hätte hören können. Der Regen fiel mit ununterbrochener Heftigkeit weiter. Ich spähte um die
     Ecke des Stalles und sah nichts als weitere Holzwände, große Stapel Feuerholz und vermooste Strohdächer. Eine Frau trieb eine
     Geiß mit Stockschlägen zwischen den Hütten entlang, damit sich das Tier im Regen schneller bewegte.
    Ich wischte Schlangenhauch an dem fadenscheinigen Umhang des Mannes ab, den ich getötet hatte. Dann gab ich Clapa meinen Speer
     und nahm den Schild des toten Mannes. «Steckt die Schwerter weg», sagte ich zu den anderen. Wenn wir mit gezogenen Waffen
     durch die Festung gingen, würden wir nur Aufmerksamkeit auf uns lenken. Wir mussten aussehen wie Männer, die gerade aufgewacht
     waren und sich in Kälte und Nässe nun lustlos auf den Weg zu ihrer Pflicht machten. «Wo lang?», fragte ich Sihtric.
    Er führte uns an der Palisade entlang. Als wir die Ställe hinter uns gelassen hatten, sah ich drei langgestreckte Wohngebäude,
     die uns den Blick auf den nördlichen Teil des Festungswalls nahmen. «Kjartans Palas», flüsterte Sihtric und deutete auf das
     Gebäude zur Rechten.
    «Sprich natürlich», sagte ich zu ihm.
    Er hatte auf das größte Langhaus gezeigt, das einzige, aus dessen Dachöffnung Rauch stieg. Seine Seiten lagen nach Westen
     und Osten, und einer der Giebel reichte bis knapp an den Festungswall, was uns zwingen würde, bis weit in die Mitte der Festung
     zu gehen, um den großen Palas zu umrunden. Inzwischen sahen wir mehr Leute, und sie sahen uns, aber wir erschienen niemandem
     seltsam. Wir waren einfach nur bewaffnete Männer, die durch |414| die schlammige Straße gingen, und sie waren vom Regen durchnässt, froren und eilten zwischen den Gebäuden umher, und ihre
     Aufmerksamkeit galt viel mehr dem Ziel, möglichst schnell ins Warme und Trockene zu kommen, als sich über ein Dutzend verdreckte
     Krieger Gedanken zu machen. Eine Esche wuchs vor Kjartans Palas, und unter ihren kahlen Ästen hockte ein einsamer Wächter,
     der hier sinnlos nach Schutz vor Wind und Regen gesucht hatte. Ich hörte jetzt auch Rufe. Sie waren leise, aber als wir uns
     der Lücke zwischen den Gebäuden näherten, sah ich Männer auf dem Festungswall stehen. Sie blickten nordwärts, und einige von
     ihnen schwenkten herausfordernd ihre Speere. Also rückte Ragnar an. Er war auch in der trüben Dämmerung gut zu sehen, denn
     seine Männer trugen brennende Fackeln. Ragnar ließ seine Angriffstruppe Fackeln tragen, damit die Verteidiger ihn im Auge
     behielten und von der anderen Seite der Festung abgelenkt wurden. Auf diese Weise fanden Feuer und Stahl ihren Weg nach Dunholm,
     doch die Verteidiger grölten Beifall, als sich Ragnars Männer den schlüpfrigen Pfad emporkämpften. Sie grölten, weil sie wussten,
     wie hoch ihr Festungswall war und wie klein die Angreifertruppe. Doch die Sceadugengan standen schon in ihrem Rücken, und
     keiner aus der Festung hatte uns bemerkt, und langsam lösten sich die Ängste, die in der kalten Dämmerung in mir emporgekrochen
     waren, wieder auf. Ich berührte mein Hammeramulett und sagte Thor im Stillen Dank.
    Wir waren nur noch wenige Schritte von der Esche vor Kjartans Palas entfernt. Der Schössling war hier als Verkörperung für
     den Weltenbaum Yggdrasil gesetzt worden, an dessen Fuß die drei Spinnerinnen unser Schicksal weben, doch dieser Baum wirkte
     kränklich, und viel war aus dem Setzling nicht geworden, der hier in der dünnen |415| Bodenkruste Dunholms nach Platz für seine Wurzeln suchte. Der Wächter sah uns kurz an, fand nichts Auffälliges an unserer
     Erscheinung, und wandte seinen Blick dann über Dunholms flache Hügelkuppe hinweg zum Torhaus. Dort drängten sich Männer auf
     dem Torwall, während weitere Kämpfer auf dem Umgang des Walls standen, der sich rechts und

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