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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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streitig machen könnt.»
    Wenn Ivarr überhaupt etwas erschrecken konnte, dann zog jetzt ein beunruhigter Ausdruck über sein Gesicht. Er warf einen Blick
     auf Guthred, und dann sah er mich an, als suche er nach einer Bestätigung für Kjartans Tod, doch unsere Mienen verrieten nichts.
     Ivarr zuckte mit den Schultern. «Ihr hattet einen Streit mit Kjartan», sagte er zu Ragnar, «und das war Eure Angelegenheit,
     nicht meine. Ich würde Euch als Freund willkommen heißen. Unsere Väter waren auch Freunde, war es nicht so?»
    |460| «Das waren sie», sagte Ragnar.
    «Dann sollten wir ihre Freundschaft erneuern», sagte Ivarr.
    «Warum sollte er mit einem Dieb Freundschaft schließen?», fragte ich.
    Ivarr sah mich an, in seinen Schlangenaugen stand keine Regung. «Ich habe gestern eine Ziege kotzen sehen», sagte er, «und
     was sie hochwürgte, hat mich an Euch erinnert.»
    «Ich habe gestern eine Ziege scheißen sehen», gab ich zurück, «und was sie hat fallen lassen, hat mich an Euch erinnert.»
    Darauf antwortete Ivarr mit einem höhnischen Grinsen, doch er beschloss, die Beleidigungen nicht mehr fortzusetzen. Sein Sohn
     jedoch zog das Schwert, und Ivarr hob warnend die Hand, um dem Jungen zu zeigen, dass der Moment zum Töten noch nicht gekommen
     war. «Macht Euch davon», sagte er zu Guthred, «macht Euch schnell davon, und ich werde vergessen, Euch jemals gesehen zu haben.»
    «Die Ziegenkacke hat mich an Euch erinnert», sagte ich, «aber ihr Geruch hat mich an Eure Mutter erinnert. Es hat widerlich
     ranzig gestunken, aber was soll man von einer Hure erwarten, die einen Dieb geboren hat?»
    Einer der Krieger hielt Ivarrs Sohn zurück. Ivarr selbst sah mich nur schweigend an. «Ich kann Euren Tod über drei Sonnenuntergänge
     hinweg währen lassen», sagte er schließlich.
    «Aber wenn Ihr das gestohlene Gut zurückgebt», sagte ich, «und das Urteil annehmt, das König Guthred über Euch fällen wird,
     dann werde ich vielleicht Gnade zeigen.»
    Ivarr wirkte eher belustigt als verärgert. «Was habe ich denn gestohlen?», fragte er.
    |461| «Ihr reitet mein Pferd», sagte ich, «und jetzt will ich es wiederhaben.»
    Er tätschelte Witnere am Hals. «Wenn Ihr tot seid», sagte er zu mir, «dann lasse ich Eure Haut gerben und mache mir einen
     Sattel daraus, damit ich den Rest meines Lebens auf Euch furzen kann.» Er sah Guthred an. «Macht Euch davon», sagte er, «weit
     weg. Lasst Eure Schwester als Geisel hier. Ich gebe Euch ein paar Augenblicke Zeit, damit Ihr Vernunft annehmen könnt, und
     wenn Ihr es nicht tut, dann werden wir euch alle töten.» Er wollte davonreiten.
    «Memme», rief ich ihm nach. Doch er beachtete mich nicht und lenkte nur Witnere zwischen seinen Reitern hindurch, um an ihrer
     Spitze zurück zu seinem Schildwall zu reiten. «Alle Lothbroks sind Memmen», sagte ich. «Immer machen sie sich davon. Was ist
     mit Euch los, Herr Ivarr? Habt Ihr Euch aus Angst vor meinem Schwert in die Hosen gepisst? Zuerst seid Ihr vor den Schotten
     davongelaufen, und jetzt lauft Ihr vor mir davon!»
    Ich glaube, dass ich die Schotten erwähnte, war zu viel für ihn. Diese überwältigende Niederlage schwärte immer noch in Ivarrs
     Gedächtnis, und nun hatte ich einen weiteren Dorn in die Wunde gestochen, und mit einem Mal kam das Wesen der Lothbroks zum
     Ausbruch, das er bisher hatte beherrschen können. Mit einem Ruck, der das Tier schmerzen musste, riss er den Zügel herum.
     Witnere wandte sich gehorsam um, und Ivarr zog sein langes Schwert. Er galoppierte auf mich zu, doch ich wich ihm aus und
     gelangte so auf die weite Fläche vor seiner Streitmacht. Dort wollte ich Ivarr sterben lassen, vor den Augen all seiner Männer,
     und dort ließ ich meinen Hengst halten und wandte mich wieder zu Ivarr um. Er war mir gefolgt, doch nun hatte er Witnere gezügelt,
     und das Tier stampfte mit dem rechten Vorderhuf auf die weiche Erde.
    |462| Ich glaube, Ivarr wünschte in diesem Moment, er hätte sich beherrscht, aber nun war es zu spät. Jeder Mann in den beiden Schildwällen
     hatte gesehen, dass er sein Schwert gezogen und mich auf die langgestreckte Wiese verfolgt hatte, und nach dieser Herausforderung
     konnte er nicht einfach wieder wegreiten. Jetzt musste er mich töten, und er war nicht sicher, dass es ihm gelingen würde.
     Er war ein guter Kämpfer, doch er hatte auch Verletzungen erlitten, er hatte Schmerzen in den Gelenken, und er kannte meinen
     Ruf.
    Sein Vorteil war Witnere. Ich

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