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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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auf, damit sie warm wurden. «Meine Schwester», sagte er, «hat mir erzählt, dass sie nach Wessex
     gehen und sich taufen lassen wird.»
    «Überrascht dich das?»
    «Nein», sagte er. Er sah die lange, gerade Straße hinunter. «Es ist wohl das Beste», sagte er niedergeschlagen, «und sie mag
     Pater Beocca. Was wird nun aus ihr werden?»
    |452| «Ich vermute, dass sie Nonne wird», sagte ich, denn ich konnte mir nicht vorstellen, welches andere Schicksal in Alfreds Wessex
     auf sie warten sollte.
    «Ich habe sie im Stich gelassen», sagte er, und ich erwiderte nichts, denn es war die Wahrheit. «Musst du zurück nach Wessex?»,
     fragte er.
    «Ja. Ich habe es geschworen.»
    «Schwüre können gebrochen werden», sagte er ruhig, und das stimmte, aber in einer Welt, in der die verschiedensten Götter
     herrschen und allein die drei Spinnerinnen den Lauf des Schicksals kennen, sind Schwüre unsere einzige Sicherheit. Wenn ich
     einen Schwur brach, konnte ich nicht erwarten, dass andere mir gegenüber ihre Schwüre hielten. So viel hatte ich gelernt.
    «Ich werde den Eid nicht brechen, den ich Alfred geleistet habe», sagte ich, «aber ich werde dir einen anderen Eid schwören.
     Ich schwöre dir, dass ich niemals gegen dich kämpfen werde und dass alles, was mein ist, auch dein ist, und dass ich tun werde,
     was ich kann, wann immer du Hilfe brauchst.»
    Ragnar schwieg eine Weile lang. Dann trat er gegen eine Grassode auf der Wallkrone und blickte in den Nebel. «Ich schwöre
     dir das Gleiche», sagte er leise, und weil er sich in ebenso peinlicher Verlegenheit befand wie ich, trat er erneut gegen
     die Grassode. «Mit wie vielen Männern wird Ivarr wohl kommen?»
    «Achthundert?»
    Er nickte. «Und wir haben nicht einmal dreihundert.»
    «Es wird nicht zum Kampf kommen.»
    «Nein?»
    «Ivarr wird sterben», sagte ich, «und damit wird es zu Ende sein.» Ich berührte das Heft Schlangenhauchs, um mein Glück zu
     beschwören, und spürte dabei die leicht |453| erhabenen Ränder von Hilds Kreuz. «Er wird sterben», sagte ich erneut und betastete immer noch das Kreuz, «und Guthred wird
     regieren, und er wird tun, was du ihm zu tun rätst.»
    «Willst du, dass ich ihm sage, er soll Ælfric angreifen?», fragte er.
    Ich dachte kurz darüber nach. «Nein.»
    «Nein?»
    «Bebbanburg ist zu stark», sagte ich, «und es gibt kein zweites Tor wie in Dunholm. Außerdem will ich Ælfric selber töten.»
    «Wird Alfred dir das erlauben?»
    «Er wird», sagte ich, obwohl ich in Wirklichkeit bezweifelte, dass Alfred mir diesen Luxus jemals gestatten würde, aber ich
     war sicher, dass es mein Schicksal war, nach Bebbanburg zurückzukehren, und ich vertraute auf dieses Los. Ich wandte mich
     um und ließ meinen Blick über das Dorf schweifen. «Alles ruhig?»
    «Alles ruhig», sagte Ragnar. «Sie haben mit dem Beten aufgehört und schlafen jetzt. Du solltest auch schlafen.»
    Ich kehrte ins Dorf zurück, doch bevor ich zu Gisela ging, öffnete ich leise die Kirchentür und sah im schwachen, flackernden
     Licht einiger Altarkerzen Priester und Mönche auf dem Boden schlafen. Einer von ihnen schnarchte. Ich schloss die Tür ebenso
     leise wieder, wie ich sie geöffnet hatte.
    In der Morgendämmerung weckte mich Sihtrics Gehämmer gegen den Türsturz. «Sie sind da, Herr!», rief er. «Sie sind da!»
    «Wer ist da?»
    «Ivarrs Männer, Herr.»
    «Wo?»
    «Auf der anderen Seite des Flusses, Herr! Reiter!»
    |454| Es waren nur etwa einhundert Reiter, und sie versuchten nicht, die Furt zu überqueren, und deshalb vermutete ich, sie seien
     nur zum Nordufer des Swale befohlen worden, um uns den Fluchtweg abzuschneiden. Ivarrs Hauptstreitmacht würde von Süden her
     auftauchen, wenn das auch keine Aussicht war, die in dieser nebligen Dämmerung für große Begeisterung sorgen konnte. Dann
     hörte ich im Dorf Männerrufe. «Was geht da vor?», fragte ich Sihtric.
    «Die Christen sind in Aufruhr, Herr.»
    Ich ging zur Kirche und stellte fest, dass das goldene Reliquiar mit den Barthaaren des Heiligen Augustinus, das überaus wertvolle
     Geschenk Alfreds an Guthred, gestohlen worden war. Es hatte zusammen mit den anderen Reliquien auf dem Altar gestanden, doch
     über Nacht war es verschwunden, und Pater Hrothweard jammerte neben einem Loch, das hinter dem Altar in die Flechtmauer gerissen
     worden war. Auch Guthred war da und hörte Abt Eadred zu, der den Diebstahl als ein Zeichen göttlicher Missbilligung deutete.
    «Und was

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