Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Gisela, die gekommen war,
     um die Zügel des Hengstes zu halten, musste zur Seite springen, um der Spucke auszuweichen. Sie berührte meinen Arm, als sie
     meine Steigbügel nach vorn ausrichtete. «Kann Finan die Reliquie finden?», fragte sie mich leise.
    «Er kann es», versprach ich.
    «Weil er geheimnisvolle Fähigkeiten hat?»
    «Weil er sie gestohlen hat, meine Liebe», flüsterte ich ihr zu, «und zwar auf meine Anweisung. Vermutlich steckt der Kasten
     jetzt gerade in einem Misthaufen.» Ich lächelte sie an, und sie lachte leise.
    Dann setzte ich meinen Fuß in den Steigbügel und wollte mich gerade in den Sattel schwingen, als mich Gisela noch einmal aufhielt.
     «Sei vorsichtig», sagte sie. «Ivarr ist ein gefürchteter Krieger.»
    «Er ist ein Lothbrok», sagte ich, «und alle Lothbroks kämpfen gut. Sie lieben den Krieg. Aber sie kämpfen wie irre Hunde,
     bestehen nur aus Raserei und Wildheit, und deshalb sterben sie am Ende auch wie irre Hunde.» Ich stieg auf meinen Hengst,
     angelte mit dem rechten Fuß nach dem zweiten Steigbügel, und dann ließ ich mir von Gisela meinen Helm und meinen Schild geben.
     Zum Lebewohl berührte ich noch einmal ihre Hand, dann nahm ich die Zügel und folgte Guthred in südlicher Richtung.
    Wir wollten uns Ragnars Schildwall anschließen. Er war |458| nur kurz und wurde von Ivarrs viel längerem Schildwall, der südlich von uns stand, an beiden Seiten weit überragt. Ivarrs
     Wall war mehr als zwei Mal so lang wie unserer, und das bedeutete, dass seine Leute unsere gesamte Linie einschließen und
     unsere Männer von den Flanken her töten konnten. Wenn es zum Kampf käme, würden wir einfach abgeschlachtet werden, und das
     wussten Ivarrs Leute. Ihr Schildwall blitzte vor Speeren und Äxten, und schon jetzt feierten sie ihren bevorstehenden Sieg.
     Sie schlugen mit ihren Waffen gegen ihre Schilde, und das dumpfe Trommelgeräusch rollte durch das weite Tal des Swale, und
     es steigerte sich zu einem klirrenden Donnern, als Ivarrs Rabenbanner in der Mitte ihrer Linie erhoben wurde. Um das Banner
     hatte sich eine Gruppe Reiter versammelt, die sich nun aus dem Schildwall löste und auf uns zuritt. Unter den Reitern befand
     sich Ivarr ebenso wie sein rattengesichtiger Sohn.
    Guthred, Steapa, Ragnar und ich ritten Ivarr ein kleines Stück entgegen, und dann warteten wir. Die Reitergruppe, die auf
     uns zukam, bestand aus zehn Männern, doch ich sah nur Ivarr. Er saß auf Witnere, und das hatte ich mir erhofft, denn so hatte
     ich einen Grund, Streit mit Ivarr anzufangen, doch noch hielt ich mich zurück und ließ Guthred ein paar Schritte vor mir reiten.
     Ivarr musterte uns einen nach dem anderen. Einen Augenblick lang wirkte er von meinem Anblick überrascht, doch er sagte nichts.
     Ragnar vor sich zu sehen schien ihn zu verwirren, und Steapas enorme Größe beeindruckte ihn sichtlich, doch Ivarr wandte sich
     an keinen von uns dreien, sondern nickte stattdessen in Guthreds Richtung. «Würmerschiss», grüßte er den König.
    «Herr Ivarr», gab Guthred zurück.
    «Ich bin heute in seltsam gnädiger Stimmung», sagte Ivarr, «wenn Ihr abzieht, dann verschone ich Eure Männer.»
    |459| «Wir haben keinen Streit», sagte Guthred, «der nicht durch Verhandlungen beigelegt werden könnte.»
    «Verhandlungen», knurrte Ivarr und schüttelte den Kopf. «Verschwindet aus Northumbrien», sagte er, «und zwar weit weg, Ihr
     Würmerschiss. Ihr könnt zu Euren Freunden in Wessex gehen, aber Eure Schwester lasst Ihr als Geisel hier. Wenn Ihr das tut,
     werde ich Gnade walten lassen!» Er war jedoch nicht gnädig, sondern nur vernünftig. Die Dänen waren unbarmherzige Krieger,
     aber auch viel vorsichtiger, als ihr Ruf glauben machte. Ivarr war zum Kampf bereit, aber noch lieber wollte er, dass die
     Gegenseite sich ergab, denn dann würde er keine Männer verlieren. Er würde in diesem Kampf siegen, doch für diesen Sieg musste
     er mit dem Tod von sechzig oder siebzig seiner Krieger rechnen, und das war eine vollständige Schiffsbesatzung und damit ein
     hoher Preis. Es war besser, Guthred am Leben zu lassen. Ivarr ließ Witnere ein paar Schritte zur Seite machen, sodass er an
     Guthred vorbei Ragnar ansehen konnte. «Ihr haltet Euch in merkwürdiger Gesellschaft auf, Herr Ragnar.»
    «Vor zwei Tagen», sagte Ragnar, «habe ich Kjartan den Grausamen getötet. Dunholm ist nun mein. Ich überlege, Herr Ivarr, ob
     ich Euch vielleicht auch töten sollte, damit Ihr es mir nicht

Weitere Kostenlose Bücher