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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Geld
     dort gehortet, und Ragnar dachte darüber nach, und ich dachte über Alfred nach.
    Alfred mochte mich nicht. Er hatte mich noch nie gemocht. Hin und wieder hatte er mich sogar gehasst, aber ich hatte ihm gute
     Dienste geleistet. Ich hatte ihm sogar sehr gute Dienste geleistet, und diese Dienste hatte er mir sehr schlecht vergolten.
     Fifhaden hatte er mir gegeben, während ich ihm ein Königreich gegeben hatte. Doch nun schuldete ich ihm meine Freiheit, und
     ich verstand nicht, was er damit bezweckte. Außer, natürlich, dass er von Hild dafür ein Gotteshaus bekam, und so etwas gefiel
     ihm, genauso wie es ihm gefiel, dass sie ihre Sünden bereute, und beides zusammen ergab einen verdrehten Sinn. Und dennoch
     hatte er mich befreit. Er hatte seinen Arm ausgestreckt und mich aus der Sklaverei geholt, und das erschien mir doch großzügig.
     Aber ich wusste auch, dass ich dafür würde bezahlen müssen. Alfred wollte mehr als Hilds Seele und ein neues Kloster. Er wollte
     mich. «Ich hatte gehofft, Wessex nie mehr wiederzusehen», sagte ich.
    |262| «Aber du wirst es wiedersehen», sagte Ragnar, «weil ich geschworen habe, dich zurückzubringen. Außerdem können wir hier nicht
     bleiben.»
    «Nein», stimmte ich zu.
    «Kjartan ist spätestens morgen früh mit hundert Männern hier», sagte Ragnar.
    «Zweihundert», sagte ich.
    «Also müssen wir weg», sagte er und fügte sehnsüchtig hinzu: «In Jütland gibt es also einen Hort zu holen?»
    «Einen großen Hort», sagte Finan.
    «Wir glauben, dass er in einem Riedhaus vergraben ist», ergänzte ich, «und seine Bewacher eine Frau und drei Kinder sind.»
    Ragnar starrte durch die Türöffnung auf ein paar kleine Feuer, die bei den armseligen Schuppen neben der Römerfestung brannten.
     «Ich kann nicht nach Jütland gehen», sagte er leise, «ich habe einen Eid geschworen, dass ich dich zurückbringe, sobald ich
     dich gefunden habe.»
    «Dann kann ein anderer gehen», schlug ich vor. «Du hast jetzt zwei Schiffe. Und Sverri erzählt uns bestimmt, wo er seinen
     Hort vergraben hat, wenn wir ihm genug Angst einjagen.»
    Und so befahl Ragnar seinen zwölf Dänen am nächsten Morgen, mit dem
Trader
übers Meer zu fahren. Zum Anführer wurde Rollo bestimmt, Ragnars bester Steuermann. Finan bat darum, mit Rollo fahren zu dürfen,
     und das schottische Mädchen Ethne begleitete Finan, der nun ein Kettenhemd und einen Helm und ein langes Schwert an seiner
     Hüfte trug. Sverri war an eine Ruderbank auf dem
Trader
gekettet, und als das Schiff ablegte, sah ich Finan mit derselben Peitsche auf ihn einschlagen, mit der Sverri uns monatelang
     den Rücken zernarbt hatte.
    Der
Trader
entfernte sich, und wir setzten mit dem roten |263| Schiff die schottischen Sklaven ans nördliche Ufer des Flusses über und ließen sie dort frei. Sie waren verängstigt und wussten
     nicht, was sie anfangen sollten, also gaben wir ihnen eine Handvoll Münzen aus Sverris Geldtruhe und sagten ihnen, sie sollten
     sich auf den Weg machen, immer mit dem Meer zur Rechten, und so würden sie mit etwas Glück vielleicht wieder bis nach Hause
     kommen. Wahrscheinlicher war es, dass sie von den Festungstruppen Bebbanburgs gefangen genommen und erneut in die Sklaverei
     verkauft werden würden, aber daran konnten wir nichts ändern. Dann schoben wir das rote Schiff vom Ufer weg und wandten uns
     dem offenen Meer zu.
    Hinter uns, wo auf dem Hügel von Gyruum noch unsere Feuer rauchten, tauchten Reiter in Rüstung und Helm auf. Sie bildeten
     auf dem Hügelkamm eine Reihe, und ein Stoßtrupp galoppierte über die Salzmarsch bis auf den Kiesstrand. Aber sie kamen viel
     zu spät. Wir liefen mit der Ebbe in Richtung des Meeres aus, und als ich mich umsah und Kjartans Männer vor Augen hatte, wusste
     ich, dass ich sie wiedersehen würde. Dann glitt
Drachenfeuer
um die Biegung des Flusses, die Ruder tauchten ins Wasser, und die Sonne glitzerte wie frischgeschliffene Speerspitzen auf
     den niedrigen Wellen, und ein Fischadler kreiste über uns, und ich hob die Augen zum Himmel, und ich weinte.
    Freudentränen.
     
    Wir brauchten drei Tage, bis wir Lundene erreichten, wo wir an die Dänen Silber zahlten, denn sie trieben von jedem Schiff,
     das flussaufwärts fuhr, eine Abgabe ein. Danach dauerte es noch einmal zwei Tage bis Readingum, wo wir
Drachenfeuer
aufs Ufer laufen ließen und mit Sverris Geld Pferde kauften. Es war Herbst in Wessex, die Zeit |264| der Nebel und brachliegenden Felder. Die

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