Die Herren des Nordens
Angefangen hatte es mit Hild.
Guthred hatte sein letztes Versprechen gehalten, das er mir gegeben hatte, und Hild respektvoll behandelt. Er gab ihr mein
Schwert und meinen Helm, er ließ ihr mein Kettenhemd und meine Armringe, und er bat sie, die Begleiterin seiner jungen Frau
zu werden. Königin Osburh war die sächsische Nichte des entthronten Königs von Eoferwic. Doch Hild schrieb sich selbst die
Schuld für den Verrat an mir zu. Sie glaubte, sie habe ihren Gott beleidigt, indem sie ihrer Berufung als Nonne nicht gefolgt
war, und deshalb |259| bat sie Guthred, nach Wessex zurückkehren und wieder in ihren Orden eintreten zu dürfen. Er wollte, dass sie in Northumbrien
blieb, doch sie bat ihn erneut und erklärte ihm, Gott und Sankt Cuthbert verlangten nach ihr, und von Sankt Cuthberts Ansichten
ließ sich Guthred nur zu gern überzeugen. Also erlaubte er ihr, einige Botschafter zu begleiten, die er zu Alfred schickte,
und auf diese Weise kehrte Hild nach Wessex zurück. Kaum angekommen, traf sie Steapa wieder, der immer etwas für sie übriggehabt
hatte.
«Sie hat mich nach Fifhaden mitgenommen», erzählte mir Steapa an jenem Abend, an dem die Zäune hinter den Ruinen von Gyruums
Kloster brannten.
«Nach Fifhaden?»
«Und dort haben wir deinen Hort ausgegraben», sagte Steapa. «Hild hat mir gezeigt, wo er war, und ich habe ihn ausgegraben.
Dann haben wir ihn zu Alfred gebracht. Alles. Wir haben die Beutel vor seinen Füßen ausgeleert, und er konnte kaum den Blick
davon abwenden.»
Der Hort war Hilds Waffe. Sie berichtete Alfred von Guthred und wie er mich verraten hatte, und sie versprach Alfred, dass
sie mit dem vielen Gold und Silber, das vor ihm auf dem Boden lag, ein Gotteshaus bauen und ihre Sünden bereuen und den Rest
ihres Lebens als Braut Christi zubringen würde, wenn er Männer aussandte, um mich zu finden. Sie würde die Fesseln der Kirche
anlegen, damit meine Eisenketten gelöst würden.
«Sie ist wieder Nonne geworden?», fragte ich.
«Sie hat gesagt, sie wollte es», antwortete Steapa. «Sie hat gesagt, Gott wollte es. Und Alfred hat es getan. Er hat ja gesagt.»
«Dann hat Alfred dich freigelassen?», fragte ich Ragnar.
«Ich hoffe, er tut es», sagte Ragnar, «wenn ich dich zurück |260| nach Hause gebracht habe. Ich bin immer noch eine Geisel, aber Alfred meinte, ich könne nach dir suchen, wenn ich verspreche,
zu ihm zurückzukehren. Wir werden alle bald frei sein. Guthrum verhält sich ruhig. Er heißt jetzt König Æthelstan.»
«Er ist in Ostanglien?»
«Er ist in Ostanglien», bestätigte Ragnar, «und dort baut er Kirchen und Klöster.»
«Also ist er wirklich Christ geworden?»
«Der arme Kerl ist genauso fromm wie Alfred», sagte Ragnar mit finsterer Miene. «Guthrum war schon immer ein leichtgläubiger
Narr. Jedenfalls hat Alfred nach mir geschickt. Er hat mir erklärt, dass ich nach dir suchen kann. Ich konnte die Männer mitnehmen,
die mir in der Verbannung gedient haben, und die anderen sind Seeleute, die Steapa gefunden hat. Es sind Sachsen, versteht
sich, aber die Bastarde rudern gar nicht schlecht.»
«Steapa hat behauptet, er sei hier, um dich zu bewachen», sagte ich.
«Steapa!», Ragnar sah sich im Schein des Feuers um, das wir im Kirchenschiff entzündet hatten. «Du stinkender Haufen Wieselschiss.
Hast du wirklich gesagt, du bist hier, um mich zu bewachen?»
«Aber das bin ich doch, Herr», sagte Steapa.
«Du bist ein Stück Dreck. Aber du kämpfst gut.» Ragnar grinste und wandte sich wieder mir zu. «Und ich soll dich zurück zu
Alfred bringen.»
Ich sah ins Feuer, in dem Stücke des Flechtzaunes hellrot verglühten. «Thyra ist in Dunholm», sagte ich, «und Kjartan lebt.»
«Und ich gehe nach Dunholm, sobald Alfred mich freilässt», sagte Ragnar, «aber zuerst muss ich dich nach Wessex bringen. Ich
habe einen Eid darauf abgelegt. Ich |261| habe geschworen, dass ich den Frieden in Northumbrien nicht brechen, sondern dich nur holen werde. Und natürlich hat Alfred
Brida bei sich behalten.» Brida war Ragnars Frau.
«Er hat sie bei sich behalten?»
«Als Pfand für mich, nehme ich an. Aber er wird sie wieder freilassen, und dann verschaffe ich mir Geld und stelle eine Truppe
auf, und dann lasse ich Dunholm vom Antlitz der Erde verschwinden.»
«Du hast kein Geld?»
«Nicht genug.»
Also erzählte ich ihm von Sverris Haus in Jütland und von dem Geld dort, oder dass wir jedenfalls glaubten, er habe sein
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