Die Herren von Everon
du.“
„Laß ihn nur“, riet Jarji. „Er hat mehr Verstand als du.“
Jef streifte sie mit einem Blick. „Du vergißt, daß ich Mikey viel besser kenne, als du es tust.“
„Willst du wetten?“ gab sie zurück.
Er ging nicht auf die Herausforderung ein. Es hatte keinen Sinn, sagte er zu sich selbst, an einen lächerlichen Streit Atem zu verschwenden.
Aber als sie weitergingen, wurden die Rufe häufiger. Allerdings kamen sie nicht näher als der letzte, der Jef zu seiner Warnung an den Maolot veranlaßt hatte. Bei jedem Brüllen wurde Mikey widerspenstiger. Schließlich löste er sich jedes Mal von Jefs Seite und rannte mehrere Schritte in die Richtung, aus der ein Brüllen gekommen war, und er tat das sogar dann, wenn Jef ihm einen scharfen Befehl gab, dazubleiben, und – vergeblich – in sein Nackenfell faßte und ihn zurückzuhalten versuchte. Die unbewußte Plötzlichkeit, mit der er sich aus Jefs Griff losriß, ließ einen kleinen Kälteschauer zwischen Jefs Schulterblättern hindurchrieseln. Schon auf der Erde, bevor sie nach Everon gekommen waren, war Mikey für seine Größe ungewöhnlich stark gewesen. Aber hier und jetzt, wo er beinahe voll ausgewachsen war, wurde seine Kraft unheimlich. Jef machte sich Sorgen und sprach streng mit ihm. Mikey entschuldigte sich jedes Mal, wenn er zu Jef zurückkehrte, stieß seinen Kopf gegen Jefs Schulterblätter und warf ihn beinahe über den Haufen, aber an dieser vertrauten Geste war jetzt beinahe etwas Zerstreutes und beinahe Flüchtiges – als sei der Maolot in Gedanken anderswo.
„Ich habe dir doch gesagt, du sollst ihn in Ruhe lassen!“ fauchte Jarji endlich. „Er hat seine eigenen Gründe für das, was er tut. Und davon abhalten könntest du ihn sowieso nicht.“
„Mir gefällt das nicht“, erwiderte Jef. „Wie weit sind wir jetzt noch von leCourboisiers Lager entfernt?“
„Nur noch Minuten, nehme ich an“, sagte Jarji. „Ich bin selbst noch nie in dieser Gegend gewesen, aber ich habe davon gehört. Wenn Beau da ist, wo ich ihn vermute, werden wir wahrscheinlich …“
Das tiefkehlige Brüllen eines erwachsenen Maolots unterbrach sie – diesmal ganz nahebei. Instinktiv blieben Jarji und Jef stehen. Jarji griff nach ihrer Armbrust, die Aufzugfeder schwirrte, und die Waffe spannte sich. Aber Mikey riß sich von Jefs Händen los und galoppierte in die Richtung davon, aus der das Brüllen gekommen war. Diesmal verschwand er unter den Willybäumen und kam nicht zurück.
„Mikey!“ schrie Jef. „Mikey, hierher!“
Er setzte sich in Trab, um hinter dem Maolot herzulaufen. Aber er hatte noch keine drei Schritte getan, als ein kleiner, entschlossener Anker seinen linken Arm ergriff und ihn beinahe von den Füßen riß.
„Laß das, du Knallkopf!“ fuhr Jarji ihn an. „Glaubst du, du kannst ihn zu Fuß einholen? Er ist jetzt schon einen halben Kilometer weg! Was? Du willst es trotzdem versuchen?“
Jef stolperte plötzlich über Jarjis ausgestrecktes Bein und fiel auf das Gesicht. Er rollte sich auf den Rücken. Jarji stand zu seinen Füßen und funkelte ihn an.
„Wenn du aufstehst, benimmst du dich lieber vernünftig“, drohte sie, „oder ich schicke dich auf eine Weise zu Boden, die dir Zeit gibt, dich abzukühlen, bevor du ein zweites Mal aufstehst. Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Er ist weg! Dein Maolot ist weg. Ich weiß nicht warum, ebensowenig wie du. Aber ich weiß, daß du ihn nicht wiederbekommst, bis er selbst zurückkehren will. Kannst du das nicht in deinen Kopf bekommen?“
Jef hakte die Spitze eines Stiefels hinter Jarjis linken Knöchel, placierte die Sohle des anderen Stiefels gegen die Vorderseite des gleichen Beins und warf sie auf den Rücken. Bis sie sich in eine sitzende Position hochgerappelt hatte, war er selbst längst wieder aufgestanden und sah auf sie hinab.
„Ja“, sagte er, „ich kann es in meinen Kopf bekommen. Und nein, ich will nicht mit dir kämpfen, weder geistig noch körperlich. Vielleicht kannst du mich ohne Schwierigkeiten besiegen. Aber ich kenne ein paar Tricks, und einige davon beherrsche ich gut, und wenn du mich dazu zwingst, wende ich sie an. Ich sehe jedoch keinen Sinn darin, daß wir uns gegenseitig auffressen. Also, warum lassen wir es nicht gleich bleiben?“
Sie maß ihn mit einem recht eigentümlichen Blick. Jef blieb auf der Hut, denn er konnte nicht entscheiden, ob sie sich auf ihn stürzen wollte oder nicht. Aber sie stellte sich auf die Füße, nahm ihre
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