Die Herren von Everon
er dir zu sagen hat, und gehst wieder. Sieh nicht zurück und stelle keine Fragen mehr. Verstehst du mich?“
„Nein“, sagte Jef.
Jarji holte verzweifelt Atem.
„Was willst du eigentlich? Deine Forschungsarbeit durchführen oder dich in unsere lokalen Kriege einmischen?“
„Natürlich meine Forschungsarbeit durchführen.“
„Dann tu, was ich dir sage.“
Es lag ein Gutteil Vernunft in ihrem Rat, dachte Jef. Er hatte wirklich nicht den Wunsch, sich in lokale Streitigkeiten hineinziehen zu lassen. Hatte er sich, als er Armages Haus verließ, nicht im stillen gratuliert, daß es ihm gelungen war, sich aus allem herauszuhalten, was zwischen dem Konnetabel, Martin und anderen vor sich gehen mochte?
„Du hast recht“, gestand er.
„Und ob ich recht habe!“ Noch ein paar Sekunden lang betrachtete sie ihn forschend, als wolle sie sichergehen, daß sie ihn wirklich überzeugt hatte. Dann glättete sich ihr Gesicht. „Willst du eigentlich den ganzen Tag hier sitzenbleiben und dir den Bauch vollschlagen?“
„Ich bin in einer Minute fertig.“
Das war er auch. Er stand auf, stäubte sich die Hände ab und steckte die Arme von neuem durch die Riemen seines Rucksacks. Als sie sich, jetzt gemeinsam, wieder in Marsch setzten, drehte Jarji sich plötzlich zu ihm um und drückte ihm den Marschcomputer in die Hand.
„Hier. Nimm ihn. Ich brauche ihn sowieso nicht.“
„Danke“, sagte er.
Er hakte das Kästchen wieder an seinem Gürtel fest.
Jarji führte sie nun in einem Winkel vom Waldrand fort. Es war ein sehr spitzer Winkel. Jef hatte nicht geglaubt, seit der Trennung von ihr so weit gewandert zu sein, daß er bereits ein solches Stück von der auf der Karte vorgegebenen Route abgekommen war. Aber als er den Marschcomputer wieder zur Hand nahm und nachsah, wich die rote Linie, die die tatsächlich zurückgelegte Strecke darstellte, schon seit geraumer Zeit von der schwarz markierten, geplanten Route ab. Der Punkt lag tatsächlich so weit zurück, daß er anzunehmen geneigt war, daß sie den richtigen Weg schon früher verlassen hatten als zu dem Zeitpunkt, als Mikey seine letzte Antilope gefunden hatte.
Der kleine Haken am Ende der weiterwachsenden roten Linie zeigte jedoch, daß sie unter Beibehaltung der jetzigen Richtung wieder auf die eingegebene schwarze Linie stoßen würden. Beaus Lager, so schätzte Jef, müßten sie in ungefähr drei Stunden erreichen – nicht viel später als am Nachmittag des Everon-Tages.
In Wirklichkeit brauchten sie beinahe vier Stunden. Und in den letzten anderthalb Stunden begann der Wald, den sie durchquerten, ein anderes Aussehen zu zeigen als die Teile, die bereits hinter ihnen lagen. Nach und nach, während sie in höhergelegene Gebiete aufstiegen, wurden die Variformen der irdischen Vegetation seltener und die einheimischen Spezies häufiger. Als sie ihrem Bestimmungsort nahe gekommen waren, befanden sie sich in einer Gegend, wo überhaupt keine von der Erde stammenden Pflanzen wuchsen, und neben den Everon-Pflanzen, die Jef anfangs identifiziert hatte, gab es eine Anzahl anderer, von denen er nicht einmal den Namen wußte.
Hand in Hand mit diesem Wechsel ging eine Änderung der Topographie. Das Land war allmählich offener und felsiger geworden und sah mehr nach einem nördlichen Hochland aus. Zwar waren sie die ganze Zeit bergauf gestiegen – was Jefs Beinmuskeln bezeugen konnten –, aber trotzdem war die Änderung krasser, als es sich aus dem Höhenunterschied erklären ließ. Es war beinahe so, als seien sie in ein Bergland geraten, ohne es zu merken. Sogar die Luft schien kühler und dünner zu sein.
Einen weiteren Unterschied gab es, den Jef einigermaßen besorgt zur Kenntnis nahm. Als es Nachmittag wurde, hörten sie gelegentlich aus der Ferne das Brüllen erwachsener Maolots. Sie schienen ein gutes Stück von ihnen entfernt zu sein, und Jarji ignorierte sie. Aber zu Jefs Unbehagen tat Mikey das nicht. Statt sich gegen Jef zu drücken, wenn ein Ruf aufklang, blieb Mikey nun stehen und hob seinen blinden Kopf in die Richtung, aus der er gekommen war, als wolle er jeden Augenblick zurückbrüllen. Der Gedanke, Mikey könne antworten, beunruhigte Jef so sehr, daß er den Maolot schließlich deswegen ansprach.
„Nun stell mir bloß keine Dummheiten an“, warnte er, als die Stimme eines Maolots näher als bisher ertönte und Mikey den Kopf hob. „Du bist größer, als du bis vor kurzem warst, aber die da draußen werden noch viel größer sein als
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