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Die Herren von Everon

Die Herren von Everon

Titel: Die Herren von Everon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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das Umherlaufen, stand still und beobachtete sie. Ein Schwall kühler Luft, die vor der Wolkenbank herlief, klärte seinen Verstand von den brodelnden Emotionen, die ihn gestört hatten. Die Wolken wuchsen weiter. Ihre Spitze formte wechselnde Gestalten, die in Jefs Phantasie zu Türmen und Bergtälern, Pferdeköpfen und Krokodilen wurden. Der Rand der Wolkenbank wuchs über die Sonne hinaus, und Jef sah ihren Schatten plötzlich über den Rasen vor Armages Haus eilen. Er wurde in weiches Zwielicht eingehüllt.
    Auf den Flügeln des sich zusammenbrauenden Unwetters schien eine melancholische Stimmung herangetragen zu werden. Es war keine angenehme Stimmung. Jef fühlte sich miteinbezogen in das Zusammenspiel des Landes und des Wetters, in ein sehnsüchtiges und trauriges Geschehen, das jedoch auf seine eigene Weise schön war. Die Wolken hatten inzwischen den ganzen Himmel überzogen, und die ersten Regentropfen fielen herab. Aber Jef zog sich nicht ins Haus unter den unzulänglichen Schutz des schmalen Verandadaches zurück. Statt dessen blieb er stehen und genoß den Wind und die Berührung der Regentropfen, auch als der Wind heftiger wurde.
    Vom Westen her wurde das Unwetter stärker. Der Regen verwandelte sich plötzlich in einen Wolkenbruch, und einen Augenblick später klebte Jefs durchweichtes Hemd an ihm wie eine zweite Haut. Donner krachte in den Wolken, und dann war der Regen kein Regen mehr, sondern Hagel, fiel in perligen Kugeln herab, prallte von dem Rasen ab und blieb glitzernd in dem gedämpften Licht liegen.
    Widerstrebend zog Jef sich jetzt doch aus dem direkten Beschuß der Hagelkörner unter das Verandadach zurück. Das Heulen des Windes um das Haus, das Prasseln des Hagels auf den Stufen, dem Fußboden und dem Dach der Veranda verschmolzen so miteinander, daß Jef sich beinahe vorstellen konnte, es sei Musik – eine Musik, die von Hoffnung und von Tragödien sang, von Schönheit und von Kummer.
    Es lag Kampf im Gesang des Sturms, aber es war ein guter Kampf, ein natürlicher Kampf, wie der Kampf eines Kindes und seiner Mutter bei der Geburt. Die Windböen waren jetzt stark, und die Hagelkörner waren groß. Sie hämmerten auf den Boden. Der Wind riß an den Pseudosäulen des Hauses, und die Wolken strömten oben unter Donnergrollen vorbei. Minutenlang beobachtete Jef das Gewitter, und allmählich wurde das Lied des Sturms leiser, der Hagel machte schwer herabfallendem Regen Platz. Die Bewölkung verzog sich, und der Wind schwächte sich immer mehr ab, bis er kaum noch zu bemerken war. Nun war das Hauptthema des Liedes das stetige Trommeln des Regens auf dem Verandadach.
    Der Regen fiel langsamer. Die Wolkendecke hob sich. Jef sah, wie weit entfernt am westlichen Horizont die Wolken dünner wurden und zerrissen. Ein Stückchen blauer Himmel schimmerte hindurch. Es wurde größer und näherte sich. Der Regen ließ nach und hörte auf, und fünfzehn Minuten später gaben die fliehenden Wolken die Sonne wieder frei, so daß ihr goldenes Licht sich von neuem auf Rasen und Bäume ergoß, die nun vor Nässe schimmerten. Verstreut glitzerten hier und da die Perlen einiger nicht geschmolzener Hagelkörner.
    Jef holte tief Atem. Einen Augenblick lang war er eins gewesen mit dem Sturm, ein Teil seiner Gewalt, ein Teil dieses Planeten. Er fühlte sich gereinigt, und er war jetzt im Frieden mit sich selbst und der Situation, in der er sich befand. Er drehte sich um und kehrte nach oben in sein Zimmer zurück.

 
4
     
    „Ich gehe nur nach unten“, sagte Jef ein wenig später zu Mikey. „Länger als höchstens drei Stunden werde ich nicht fort sein.“
    Er ging hinaus, verschloß die Tür seines Zimmers hinter sich und nahm die Rampe, die zum Erdgeschoß des Hauses führte. Dort waren bereits die Stimmen der Gäste zu hören, die sich im großen Salon versammelten. Tibur hatte ihm einen Ausdruck der Liste mit den Namen und Bildern der Eingeladenen gebracht, und Jef hatte sich bemüht, sich diese einzuprägen. Aber er wußte nicht, ob sein Gedächtnis ihn nicht im Stich lassen würde, wenn er den Leuten persönlich begegnete. Er war nie sehr gesellig gewesen, und die Aussicht, mit dreißig oder vierzig Fremden, die keinen echten Grund hatten, sich für ihn zu interessieren, Konversation zu treiben, hatte nichts Erfreuliches für ihn. Schließlich wurde dieses Diner offensichtlich gegeben, um einen John Smith zu ehren und günstig zu stimmen. Wenn es nicht unhöflich gewirkt hätte, wäre Jef lieber mit

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