Die Herrin der Kathedrale
sich erschrocken ab. Ob ihre Uta auch vor Schmerz schrie? Unwillkürlich klammerte Erna sich an Adrianas Arm.
Am Ende des Ganges blieben sie vor einer Kammer stehen.
»Die Kaiserin hat uns, der Grete, Elisabeth und mir, zugestanden, abwechselnd an Utas Krankenbett zu wachen«, erklärte Adriana. »Die Ärzte sagen, ihr Hirn wurde erschüttert, nachdem sie mit dem Kopf auf einem Stein aufgeschlagen ist.«
»Ihr Hirn wurde erschüttert?«, fragte Erna und schlug entsetzt die Hände vor dem Mund zusammen.
»Beruhige dich. Die Kaiserin hat veranlasst, dass sich die päpstlichen Ärzte ihrer gewissenhaft annehmen«, entgegnete Adriana leise und trat an das Kopfende des Krankenlagers. Erna schluckte und folgte Adriana. Dabei tastete ihr Blick ängstlich den reglos unter einer Decke liegenden Körper der Freundin ab. Intuitiv griff Erna nach Utas Hand, die kraftlos unter der Decke hervorschaute. »Du darfst nicht sterben«, flehte sie. »Bitte, lieber Gott, mach, dass sie bei uns bleibt.« Adriana sprach ein Gebet. Nachdem sie eine Weile schweigend und in Gedanken an die Freundin vertieft vor dem Krankenlager ausgeharrt hatten, fragte Adriana: »Bleibst du hier an Utas Bett, bis Grete eintrifft? Ich muss zurück zur Kaiserin.«
Erna nickte.
»Mit diesem Lappen«, Adriana zeigte auf ein Tischchen, auf dem eine Wasserschale stand, »wischst du Uta die Stirn ab und kühlst ihre Haut, sobald du Schweißperlen darauf siehst.«
Erna nickte erneut.
»Ihre Augen sind zwar geschlossen, aber ich glaube, sie kann uns hören«, sagte Adriana noch, stellte Erna einen Hocker hin und verabschiedete sich.
»Ach Uta«, seufzte Erna. »Du bist immer so stark gewesen, sei es auch dieser Tage.« Ohne Utas Hand loszulassen, setzte sie sich auf den Hocker, nahm den mit kaltem Wasser getränkten Lappen und tupfte der Freundin die Stirn ab. »Es war ein rauschendes Fest«, begann sie leise zu erzählen. »Und es wird noch zwei ganze Tage dauern.«
Erna setzte ab und betrachtete die regungslose Gestalt vor sich. »Ein Fest, das dir sicherlich gefallen hätte.« Die Köchin lächelte in Gedanken daran, wie Uta und sie sich schon als Achtjährige bei Festlichkeiten auf Burg Ballenstedt gemeinsam zurechtgemacht und einmal sogar die Kleider getauscht hatten. »Und wie die Königin gestrahlt haben soll, als ihr die Krone aufgesetzt wurde. Seit dem Beginn der Zeremonie vor fünf Tagen wird auf den Straßen nur der beste Wein an all die ausgeschenkt, die dem Kaiserpaar …« Erna stockte, als Uta sich stöhnend auf die Seite drehte.
Mit ihren breiten Schultern hatte sie reichlich Mühe, sich in dem verbleibenden schmalen Gang zwischen Bettstatt und Wand zu bewegen. Mit dem Lappen in der Hand beugte sie sich über Uta, strich der Freundin die verschwitzten Haarsträhnen aus der Stirn und betrachtete deren Gesicht. »Uta?«, fragte sie leise.
Keine Antwort.
Sorgenvoll richtete Erna ein Gebet an die Gottesmutter und bat diese inständig um das Leben ihrer Freundin. Immer wieder tupfte sie Utas Gesicht mit kühlem Wasser ab, bis sie schließlich mit dem Kopf auf der Decke und Utas Hand fest in der ihren einschlief.
Der Bräutigam führte sein Weib vor den Altar. Dabei drückte er ihre Hand so fest, dass sie fast aufgeschrien hätte. Der Geistliche vor ihnen trug ein Gewand aus grobem Leinen. Er nahm ein Buch auf, um das heilige Sakrament der Ehe zu vollziehen. Die Braut sah, wie er seine Lippen öffnete. »Sprich den Reinigungseid«, forderte er mit der zorngetränkten Stimme des Vaters.
Mit klopfendem Herzen fuhr Uta vom Krankenlager hoch und verspürte einen stechenden Schmerz im Kopf.
Erna sprang von ihrem Höckerchen auf. »Uta?«
»Was mache ich hier?«, fragte Uta und blickte sich orientierungslos in der schmalen Kammer um. »Wo ist …?« Einen Augenblick sah sie wieder das Gesicht des Bräutigams mit den wettergegerbten, schlaffen Zügen vor sich.
»Du hast geträumt«, versuchte Erna sie zu beruhigen und zog Uta vorsichtig in ihre Arme.
Uta rann der Schweiß die Stirn hinab. »Dann werde ich also nicht heiraten?«, fragte sie geschwächt.
»Erst einmal wärmen wir dich«, entgegnete Erna und zog der Sitzenden die Decke über die Schultern. »Du bist gestürzt, kurz bevor wir in Rom einritten. Das ist inzwischen zwanzig Tage her. Doch der Medikus erklärte der Kaiserin gestern, dass er dich, sobald du aufgewacht und bei klarem Verstand bist, den kaiserlichen Heilkundigen übergeben wird.« Ruckartig riss Uta die Augen auf. »Ich
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