Die Herrin der Kathedrale
gekommen war, nur um ihn geschwächt vorzufinden. Sie, ein Weib, wollte ihn unterwerfen? Das würde ihr nicht gelingen! Allein die Vorahnung, ihr dies recht bald zu beweisen, ließ Esiko von Ballenstedt erschaudern. Mit funkelnden Augen blickte er auf das Schwert des Königs, das von Adalbero, dem fünften Heerführer und Schwertträger des baldigen Kaisers, verwahrt wurde.
Hinter dem König und den Heerführern kam nun, durch fünfzig Leibwachen getrennt, der weitere Tross allmählich zum Stehen. Nacheinander stiegen die Menschen von den Pferden ab, kletterten die Karren hinunter und sanken auf die Knie, um in andächtiger Stille dafür zu danken, das Ziel endlich erreicht zu haben.
Mit fester Stimme, aber dennoch betroffen, wandte sich König Konrad an den Tross: »Vierhundert Tote und mehr als dreihundert Verletzte hat sich Gott, der Allmächtige, auf dieser Reise erbeten.« Ganz zu schweigen von den Entbehrungen, der Eiseskälte, den erfrorenen Gliedmaßen, der erstickenden Sommerhitze sowie Austrocknung und Wahn, dachte er bei sich. »Ich danke allen für die Kraft, die ihr aufgebracht habt, um gemeinsam die Kaiserkrone mit uns in Empfang zu nehmen.«
Ehrfürchtige Stille legte sich erneut über den Tross. Erzbischof Aribo von Mainz saß ab, gab das Zeichen für den Beginn der Messe und trat dann zwischen den Leibwachen hindurch vor das Hauptheer. Für das Restheer würden die mitgereisten Bischöfe und Erzbischöfe Messen abhalten. »Ich danke dem Allmächtigen für den Beistand, der uns bis vor die Tore der heiligen Stadt geführt hat«, begann er mit donnernder Stimme. Es gefiel ihm, den Blick über die Hunderte von knienden Menschen – darunter Kämpfer, Herzöge, der König und die Königin mit Gefolge – schweifen zu lassen. Gisela von Schwaben sehe ich viel zu selten vor mir knien, dachte er und fuhr fort: »Gott segne die bevorstehende Krönung unseres Königs zum Kaiser.« Während das Heer und der Hofstaat im Gebet versunken waren, hing Aribo von Mainz dem Gedanken nach, dass das Knien zu seinen Füßen auch für den zukünftigen Kaiser von Bedeutung und vor allem angemessen war.
Als Uta erwachte, war es noch Nacht. Geräuschlos erhob sie sich und verließ das Zelt, das ihr, seitdem sie nur noch zu viert waren, unendlich leer erschien. Sie benetzte ihr Gesicht mit kaltem Wasser aus einer Schüssel gleich neben dem Zelt und stieg im Lichte des zunehmenden Mondes einen kleinen Hügel hinauf. Dort bot sich ihr ein weiter Ausblick auf Rom. Trotz der Ferne vermochte sie die Umrisse der Bauten deutlich zu erkennen. Wie gerne Mechthild die heilige Stadt miterlebt hätte.
»Euch plagt seit einiger Zeit die Schlaflosigkeit, nicht wahr?« Königin Gisela stand auf einmal neben ihr.
Uta blickte weiter auf den Himmel über der Stadt, der wie ein Feuerschweif leuchtete. »Guten Abend, Königliche Hoheit.« Königin Gisela gab ihren Leibwachen ein Zeichen, sich auf Sichtweite zurückzuziehen. »Die Stadt ist in ewiges Licht getaucht, das uns erleuchten wird. Ihr Besuch, erzählt man, bringe Veränderung. Wusstet Ihr das?«
Uta wandte sich der Königin zu. »Ihr werdet sie als Kaiserin verlassen, Hoheit.«
Gisela schaute ihre Hofdame an und begann ungewohnt zögerlich: »Habt Ihr denn schon einmal über Eure Zukunft nachgedacht?«
»Ein wenig«, entgegnete Uta abwartend.
»Was würdet Ihr gerne tun, Uta?«
Uta überlegte einen Moment, dann sagte sie, ohne zu zögern:
»Für Gerechtigkeit sorgen.«
»Ich möchte Euch gerne, sobald wir aus Rom zurückgekehrt sind, eine Aufgabe übertragen, bei der Ihr dies sicherlich tun könnt«, sagte Gisela.
Gerade als sich der Ansatz eines Lächelns auf Utas Gesicht stahl, hörte sie, wie die Königin neben ihr tief einatmete. »Was könnte das sein, Königliche Hoheit?« Uta hielt inne, als die Königin nach ihren Händen griff.
»Ich gebe Euch dem Naumburger zur Frau.«
Uta erstarrte. Sie sollte verheiratet werden?
»Ihr werdet gemeinsam regieren, und der Graf wird mit einer klugen Ratgeberin, wie Ihr es seid, gut bedient sein.« Gisela nickte Uta aufmunternd zu. Mit fast einundzwanzig Jahren war ihre klügste und begabteste Hofdame beinahe schon zu alt für eine Ehe. Sie, die Königin, durfte der Zukunft der stets ergebenen Ballenstedterin nicht länger aus Zuneigung oder gar Eigennutz im Wege stehen. Es war daher gut, dass ihr Gatte sie auf die Notwendigkeit einer Verheiratung hingewiesen hatte. In Ivrea hatte sie mit Hermann und Ekkehard von Naumburg alles
Weitere Kostenlose Bücher