Die Herrin der Kathedrale
Notwendige besprochen. »Euer Bruder hat der Ehe im Namen Eures Vaters bereits zugestimmt.«
Utas Augen weiteten sich entsetzt, und sie entzog der Königin ihre Hände.
»Natürlich werdet Ihr weiterhin unter meinem Schutz stehen«, sagte Gisela. »Wir werden nach unserer Rückkehr aus Rom dann eine Doppelhochzeit feiern können. Graf Esiko wird zeitgleich meine Schwester Mathilde ehelichen.«
Uta setzte zu einer Erwiderung an, schwieg dann aber, als sie den liebevollen Blick der Königin auf sich spürte. Sie hätte wissen müssen, dass es eines Tages so weit sein würde. Die Erinnerung an den Markgrafen und sein Vercelli-Pergament, das sie, seitdem er es ihr geschickt hatte, in ihrer Satteltasche trug, nahm ihr zudem etwas von ihrer Unsicherheit. Die Nähe Hermanns von Naumburg war ihr stets angenehm gewesen, obwohl sie ihn seit ihrer Begegnung in der Bibliothek nicht mehr gesehen hatte. Uta betrachtete die Königin vor sich eindringlich, sie erschien ihr in diesem Moment wieder der Engel zu sein, der vor so vielen Jahren in die Arbeitskammer der Quedlinburger Äbtissin geschwebt war. »Ich danke Euch, Königliche Hoheit«, entgegnete Uta pflichtbewusst.
»Ich wusste, dass Ihr die Chance, die in dieser Heirat liegt, erkennen würdet.« Gisela umarmte ihre Hofdame. »Dann werde ich Ekkehard von Naumburg gleich morgen früh die freudige Botschaft überbringen lassen.«
Uta zitterte. »E… Ekke… Ekkehard?«
»Markgraf Hermann gedenkt, einige seiner Aufgaben in nicht allzu ferner Zeit an seinen jüngeren Bruder zu übertragen.« Die Königin schaute Uta forschend an. »Hermann von Naumburg ist kinderlos und vielleicht ein bisschen müde geworden.«
»A… a… aber«, presste Uta hervor und begann zu schwanken. Die Königin versuchte noch, ihre Hofdame zu stützen, doch da war Uta schon zu Boden gesunken.
Sie spürte noch einen heftigen Schmerz, dann nichts mehr.
»Eilt Euch!«, rief Gisela den Wachen am Feuer zu und bettete Uta weich auf ihren Umhang. »Jemand muss sofort eine Heilkundige herbeischaffen!«
Erna betrat ein mehrstöckiges Haus, in dem ausschließlich Männer in langen weißen Umhängen umherliefen. Unsicher schaute sie sich um und rückte ihre Haube zurecht, aus der sich ein paar widerspenstige Locken hervorstahlen. Vielleicht hätte sie sich doch von Arnold begleiten lassen sollen. Dieser Ort, an dem es nach Kräutern und Alkohol roch, war ihr bereits am Eingang unheimlich. Durch eine geöffnete Tür hindurch, aus der einer der Weißgewandeten trat und sich ihr in den Weg stellte, vernahm sie Stimmen.
»Ich möchte zu Uta von Ballenstedt.« Sie blickte vorsichtig zu dem Mann mit dem strengen Blick auf.
Mit hochgezogenen Brauen trat der Weißgewandete noch näher an sie heran, worauf sich Erna genötigt fühlte, ihr Erscheinen zu erklären. »Ich bin Erna aus dem Speyergau«, sagte sie und vergrub die Hände in den Taschen ihres Rockes. Doch der Mann betrachtete sie weiterhin abschätzig und antwortete ihr in einer Sprache, die sie nicht verstand.
Enttäuscht senkte Erna den Kopf. »Aber meine Uta liegt hier!«
»Signore Giacomo?«, ertönte da eine Stimme im Rücken des Mannes, und Adriana trat mit ernster Miene auf ihn zu und sagte in fließendem Italienisch: »Gewährt Fräulein Erna bitte Einlass. Sie gehört zum Gefolge der Kaiserin.«
Der Mann krauste die Stirn und ließ seinen Blick von Adrianas edlen Gewändern zum fleckigen Rock Ernas gleiten, die nur ahnen konnte, was gerade vor sich ging.
»Soll ich Euch das Pergament aus der kaiserlichen Schreibstube erneut zeigen?«, fragte Adriana mit Nachdruck und stemmte die Arme erwartungsvoll in die Hüften.
Der Weißgewandete verzog das Gesicht und brummte dann zurück: »Sie soll eintreten, sich aber sofort Hände und Füße waschen!«
Adriana nickte und winkte Erna zu sich.
»Ich danke dir so sehr!«, sagte Erna lächelnd.
Adriana hakte sich bei Erna unter: »Komm, wir waschen uns beide, und dann führe ich dich zu Uta.«
Wenig später stiegen sie einige Treppenstufen hinauf und betraten einen langen Flur, von dem mehrere schmale, türlose Kämmerchen abgingen. Erna wagte den Blick in eine der Kammern hinein und war augenblicklich geblendet. Die Wände waren weiß getüncht, die Leinen, das Lager, das Tischchen daneben – alles war in der Farbe der ewigen Reinheit gehalten. Beim Anblick eines stöhnenden Patienten, der einen dunkelrot getränkten Verband um den Kopf trug und in gekrümmter Haltung im Bett lag, wandte sie
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