Die Herrin der Kathedrale
Gelübde abgelegt und sich mit besonderer Hingabe der Krankenpflege verschrieben«, sagte Uta und ließ sich ungeachtet ihres noch unverräumten Reisegepäcks auf ihrer Bettstatt nieder.
»Dank des ewigen Gelübdes muss sie nun wenigstens nicht heiraten und irgendwohin gehen, wo sie niemanden hat!«, entfuhr es Adriana, die sich im nächsten Moment die Hand vor den Mund schlug. »Ich taktloses Ding, entschuldige bitte«, setzte sie betroffen nach.
Uta schaute traurig zu Boden.
»Es wird schon werden mit Ekkehard.« Adriana setzte sich neben Uta aufs Bett. »Dein Bräutigam ist immerhin Graf und kaiserlicher Heerführer. Und als seine Gattin wirst du sicherlich viel ausrichten können. Wie unsere Kaiserin, als sie damals noch Herzogin war. Und wer weiß, vielleicht wirst du eines Tages an des Grafen Seite sogar Markgräfin.«
Wenig überzeugt blickte Uta sie an, woraufhin Adriana beschwörend ihre Hände ergriff. »Und als Gräfin wirst du sicherlich die Freiheit haben, uns hier am Hof oder in unserer neuen Heimat zu besuchen, so dass wir nicht für immer Abschied voneinander nehmen müssen!«
Einen Wimpernschlag lang hellte sich Utas Gesicht auf. »Das wäre schön.«
»Wir werden uns bestimmt wiedersehen«, sagte Adriana zuversichtlich und erhob sich wieder, um ihre restlichen Gewänder in die Truhen zurückzulegen.
Grübelnd schaute Uta auf den Brief neben sich. Adriana hatte möglicherweise recht: Vielleicht konnte sie als Gräfin, ohne den Vater als Munt, eine Anklage direkt beim König vorbringen. Der nächste Gedanke dämpfte ihr Hochgefühl jedoch wieder: Was die Beweisführung anging, würde sich ein königliches Gericht doch sicher nicht vom Titel des Anklägers beirren lassen. Oder etwa doch?
»Es wird besser, sobald Euch Schwester Hazecha den Wundverband erst einmal angelegt hat«, sagte Alwine zu Edda, der Ältesten der Stiftsdamen und Vertreterin der Äbtissin, die mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einer Trage in der Krankenkammer lag. Eddas Gewand war bis übers Knie hochgeschoben und gab den Blick auf eine klaffende Wunde an ihrem Schienbein frei.
»Wenn es nur nicht so brennen würde.« Peinlich berührt, ein Stück Haut zu zeigen, ergriff Edda Hazechas Arm, die neben Alwine an der Trage stand. »Ich will Euch keine Arbeit machen, Schwester. Ihr habt doch schon genug zu tun.«
In diesem Moment drang ein Schrei aus einer der nahen Kammern zu ihnen.
»Entschuldigt mich, Schwester«, sagte Alwine. »Ein Bauer mit einem Ochsentritt wartet auf mich. Hazecha übernimmt Eure weitere Behandlung.« Alwine nickte Hazecha aufmunternd zu und verließ den Raum.
Edda bedachte das Mädchen, das neben Alwine und zwei weiteren Schwestern Dienst in der Krankenkammer tat, mit einem vertrauensvollen Blick. Daraufhin beugte Hazecha sich über den Unterschenkel ihrer Patientin, begutachtete Farbe sowie Verlauf der Wunde und roch daran. »Damit die Wunde heilen kann, muss ich zuerst die Entzündung hemmen«, erklärte sie und ging zu dem Regal, in dem die Kräutertinkturen aufbewahrt wurden. Dort griff sie nach einem Fläschchen und vermengte dessen restlichen Inhalt mit Wasser.
»Ich versorge Eure Wunde nun mit einem Sud aus Eichenrinde«, sagte Hazecha mit ruhiger Stimme. Sie schmunzelte verstohlen, als sie bemerkte, dass Edda die Nonnentracht mit zusammengekniffenem Gesicht wieder schamhaft über die Wunde des entblößten Beines zog.
»Aber Schwester«, sanft schob Hazecha Eddas Arm beiseite und das Gewand wieder über das Knie hinauf, »an Eurer Kleidung ist Schmutz, und wenn er in die Wunde gelangt, wird dies die Heilung hinauszögern oder die Wunde sogar entzünden, so dass wir sie ausbrennen müssen.«
»Hätte ich doch nur die Augen aufgemacht«, tadelte sich Edda, »dann hätte ich die Stufe gesehen.«
»Aber Ihr hattet schwer zu tragen. Die Körbe mit den Hagebutten versperrten Euch die Sicht auf den Boden.« Hazecha ergriff ein Tuch und tränkte es mit dem Kräutersud. Um ihre Patientin von dem bevorstehenden Schmerz der Wundsäuberung abzulenken, begann sie zu plaudern. »Wie war denn dieses Jahr die Ernte? Wird sie uns über den Winter bringen?«
»Zehn große Körbe konnten wir in die Vorratskammer tragen«, berichtete Edda stolz und rieb sich freudig die Hände.
»Die Mägde sagten, dass sie noch nie so viele Früchte der Hundsrose auf einem Haufen gesehen hätten! Das wird ein herrliches Backwerk geben.«
Hazecha nutzte den Moment der Ablenkung, um die Wundränder vorsichtig abzutupfen.
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