Die Herrin der Kathedrale
erst alles ermöglicht.«
Hazecha röchelte. »Ich verspreche es.«
In diesem Moment öffnete Alwine die Tür. Ertappt ließ Esiko seine Schwester los und musterte das dunkle Antlitz Alwines flüchtig, bevor er wieder Hazecha fixierte. »Auf Wiedersehen, Hazechalein. Und glaub mir, wenn du nicht brav bist, werden wir uns wiedersehen.« Esiko von Ballenstedt stieß Alwine zur Seite und verließ den Stiftssaal.
Alwine fasste sich schnell wieder. »Geht es dir gut?«, fragte sie Hazecha und blickte dem Besucher entsetzt nach. »Kanntest du den rohen Herrn?«
Hazecha sank neben den ausgelaufenen Tinkturen auf den Boden und rang nach Luft. »Er ist mir fremd.«
Ihre Augen starrten ins Leere, und ein leises Wimmern kam über ihre Lippen.
TEIL III – DAS HERZSTÜCK
Die Jahre 1027 bis 1032
7. PLANTILLAS SCHLEIER
Glatt wie die Oberfläche eines ruhenden Gewässers sollte die Haspelseide sein, weil sie im Gegensatz zur Wildseide aus den noch unbeschädigten Kokons durch Kochen abgetöteter Seidenspinner gewonnen wurde. Doch die Gänsehaut an ihren Oberschenkeln war so heftig, dass sich das seidene Kleid wie Sandpapier daran rieb. Das edle Gewand mit den weiten Ärmeln und der goldenen Borte am Hals war unübersehbar ein Geschenk der Kaiserin, genauso wie der Brautschleier, der von der gleichen feinen Machart war. Flüchtig drehte Uta sich zum Brautgeleit um, das aus dem Priester, einigen Burgadligen und dem Kammermädchen bestand und sie zum Ehegemach drängte. Die anstehende erste Vereinigung der Brautleute war der Höhepunkt der Hochzeitsfeierlichkeiten.
»Herr im Himmel, steh mir bei!«, bat sie und richtete den Blick wieder geradeaus. Wie ein Bollwerk trat ihr das dreieckig behauene Mauerwerk im Gang des Wohngebäudes entgegen, das sich mit jedem Schritt weiter verengte. Beinlange Kienspäne in sternförmig geschmiedeten Halterungen erhellten das in diesem Bereich fensterlose Gemäuer fast taghell. Sie zitterte vor Kälte und presste die Lippen fester zusammen. Wenn die unliebsame Zusammenkunft nur schon vorüber wäre!, wünschte sie sich und zog den Pelzumhang fester um die Schultern. Vor vier Tagen war sie auf der neuen Burg am Zusammenfluss von Saale und Unstrut angekommen. Unwillkürlich dachte sie an ihr früheres, nun so fernes Leben zurück. An Adriana, Grete, Kaplan Wipo, Kaiserin Gisela und noch einige andere Höflinge, die sie ins Herz geschlossen hatte.
»Wir bringen die Braut!«, rief das Geleit hinter ihr und drängte sie, schneller zu gehen.
Uta graute, denn sie schritt einer Verbindung entgegen, die bis zu ihrem oder seinem Lebensende dauern würde. Eine Verbindung, die sie nicht gewollt hatte und in der es ihre erste Pflicht war, Stammhalter zu gebären, deren Anzahl nur durch ihren eigenen körperlichen Verfall begrenzt werden würde. In Erinnerung an die zurückliegende Zeremonie begannen ihr die Knie zu schmerzen.
Kalt war das Gestein gewesen, auf dem sie kniend hatte verharren müssen: Sie sah den Burggeistlichen vor sich, der die Trauung in der Marien-Pfarrkirche vorgenommen hatte. Er hatte gefordert, dass sie beide ihm die Hände zum Zeichen ihrer Verbindung reichten. Kalt und feucht wie ein toter Fisch hatten ihre Finger aufeinander gelegen, als der Pater mit einem Segensspruch etwas Weihwasser über sie gespritzt hatte. Ob mit dem Winterfrost die Kälte auch in ihr Innerstes einziehen würde?
Der Brautzug stoppte, und der Burggeistliche trat neben Uta.
»Erlauchte Gräfin, wir haben nun Euer Ehegemach erreicht.«
Der Mann mit dem Pferdegebiss klopfte an die Tür.
»Tretet ein!«, drang eine Stimme aus dem Gemach.
Der Burggeistliche öffnete daraufhin die Tür und wies Uta an, vor die Bettstatt zu treten. Sie spürte fremde Hände an ihrem Körper, die sie vorwärtsschoben, und Menschen, die ihr anschließend in die Kemenate folgten.
»Ich grüße Euch, Gattin«, sagte Ekkehard von Naumburg kühl. Er war in eine rote Tunika mit gleichfarbiger Kopfbedeckung gekleidet und stand in der Mitte des Raumes.
Uta nickte zurückhaltend und betrachtete statt seiner die Bettstatt hinter ihm: Das hölzerne Bettgestell spannte einen hohen Betthimmel auf. Von diesem hingen rundum schwere bodenlange Stoffbahnen hinab, die lediglich an der Einstiegsseite zur Seite geschlagen waren.
»Ihr solltet nun die Segnung vornehmen, Pater!«, befahl Ekkehard. »Ich habe keine Zeit zu verlieren. Aachen und die Ostgrenze verlangen nach mir!« Ekkehard wechselte einen Blick mit einem seiner Waffenbrüder,
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